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Daß die guten alten Sitten bei ihnen noch nicht ausgestorben sind, geht namentlich aus
den ziemlich günstigen Daten der Nekrutirnngen hervor.
In Bezug auf seine consessionellen und nationalen Verhältnisse ist das Bekeser
Comitat gleichsam ein kleiner Spiegel des ganzen Landes. Jede Consession, jede
Nationalität hält an ihren eigenen Sitten und Gebräuchen fest, ohue daß es ihr einfiele,
das Recht Anderer zu gleichem Verhalte» iu Frage zu stelle».
Daher rührt die große Buntheit in der äußeren Erscheinung des Volkes, in Kleidung
nnd häuslichen Einrichtungen, eine Buntheit, die jedoch uie iu schreiende Gegensätze aus-
artet. Die Bewohner einer und derselbe« Stadt sind je nach Sprache und Religion gleich
ans den ersten Blick von einander zu unterscheiden. Selbst der Charakter der einzelnen
Stadttheile ist ein besonderer, je nachdem sie von Magyaren, Deutschen, Slovaken oder
Walachen bewohnt sind.
Dieser Charakter prägt sich sowohl in der Bauart des Hauses aus, als auch in der
Eintheilnng und Einrichtung desselben, in der Anlage des Hofes und Gartens, in der
Verzierung der Außemnanern uud Umzäunungen, so daß der aufmerksame Reisende an
diesen volksthümlichen Äußerungen des Geschmacks sofort die eigenartige Denkweise des
betreffenden Volkes uud den Grad seiner Cultur erkeuueu kauu. Der Schönheitssinn der
Frauen bekundet sich in der Nettigkeit und Reinlichkeit der ersten, nicht zum Wohueu
beuützteu Stube, in die man den Gast zu führen Pflegt. Die Wandbemalung, welche hier
und da die Thüren und Fenster umgibt, zeigt iu zarter Weise schweigend an, daß in dem
Hause ein heiratsfähiges Mädchen wohnt und die Besuche junger Leute willkommen sind.
In der Tracht gibt die bekannte Kleidung der Magyaren den Ton an, doch läßt
sie viele Abweichungen zu. Während z. B. der Magyare von Bekes oder Oroshäza den
Hnt mit breiterer Krämpe vorzieht, hängt der von Doboz nnd dem Särret an der Kopf-
bedeckung, deren Krämpe die schmalste ist. Znm kurzen, reinen Weißzeug (Hemd und
Gatya) tragen die Bemittelteren Rock und Beinkleid aus Tuch; während jedoch die Ober-
kleider (Szür, Bnnda und Bekecs) im uordwestlicheu Theile des Comitats ganz im
Geschmack der magyarischen Theißanwohner gefertigt sind, zeigen im Osten die Särret-
Bewohner einen größeren Einfluß der Biharer Tracht.
Die magyarische Tracht der Theißgegend wird am meisten dnrch die Slovaken,
weniger durch die Deutschen und am wenigsten dnrch die Walachen nachgeahmt. Wer
z. B. die vor einem halben Jahrhundert gebräuchliche Tracht der Slovaken von Esaba
und Bereny, von Komlös und Szarvas mit der jetzigen vergleicht, wird ungemein
interessante Eutwicklungsstuseu erkennen. Die Slovaken von Esaba trugen früher breit-
krämpige Hüte mit hoch aufgebundenen und auseinandergeneigten Reiherfedern geschmückt.
Ihr Oberkleid war ein weißer, mit Schaffell besetzter, bei Wohlhabenderen mit schwarzem
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Band 9
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (2)
- Band
- 9
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1891
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.56 x 21.98 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch