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lebt zwar größtentheils vom Ackerbau, doch haben sich auch Handel uud Gewerbe gut
entwickelt und gewinnen stetig an Bedeutung. Die Culturverhältnisse sind vortrefflich und
sowohl die einzelnen Consessionen, als anch die Stadt bringen fortwährend große Opfer,
um die zahlreichen vorzüglichen Schulen zu erhalten und zn fördern. Unter den Lehr-
anstalten sind die hervorrageudsteu das resormirte Gymnasium uud die vou der Stadt
erhaltene Elementar-Ackerbauschule. Auch für die Verbesserung des Gesundheitswesens
hat Väsärhely viel gethan; so wurde hier der erste artesische Brunneu des Alsöld gebohrt,
um statt des Wassers der Allnvialschichte das gesündere Wasser des Diluviums zu
gewinnen. Jetzt besitzt die Stadt schou zwei bedeutende artesische Brunnen, deren einen
der opferwillige Bauer und Bürger Johann Nagy-Audräs auf eigeue Kosten bohren
ließ, indem er zu diesem Zweck eine sehr beträchtliche Snmme widmete. Was das Äußere
der Stadt betrifft, so kann es eine schöne Stadt im jetzigen Sinne gerade nicht genannt
werden. Zwar sieht man immer mehr Anzeichen des Fortschritts, doch wird es noch
längere Zeit dauern, bis die Stadt zu einem ihrem Reichthum und ihrer Bedeutung
entsprechenden Äußeren gelangt. Wer die vielbedrängte Vergangenheit der Stadt kennt,
wird sich darüber nicht wundern, erstaunlich ist es vielmehr, daß sie überhaupt im Stande
war, sich aufrechtzuerhalten. Die Ersten, die sie verheerten, waren die Knmanen, welche
gerade hier, am Höd-See (Bibersee) durch Ladislaus IV. entscheidend geschlagen wurden.
Dann kamen Türken und Tataren und schließlich die Raizen, welche am Ausgange des
XVI. Jahrhunderts Väsärhely gänzlich vernichteten, und nur um das Jahr 1700 begannen
die Überbleibsel der Einwohnerschaft nach und nach wieder herbeizukommen.
Und noch im Jahre 1710 betrachtet es Alexander Kärolyi, der damalige Grundherr,
als eine besondere Gnade, daß er von den Bewohnern Väsärhelys nur 1.200 Gulden, zwei
Bund Karmesinleder und einen Ballen guten Tabak als Abgabe fordert. Nach diesem
Zeitpunkte begann der Wohlstand der Bevölkerung rasch zuzunehmen, doch wurde sie
durch die Kosten einer Reihe von Kriegen, deren Last sie zu tragen hatte, immer davon
abgelenkt, auch an die Verschönerung ihrer Stadt zu denkeu. Es ist überhaupt ein
charakteristischer Zug Väsärhelys, daß es für das Vaterland gerne noch über seine
Verpflichtung hinaus Opfer brachte. So überwinterte es unter Anderem im Jahre 1788,
als gerade großer Futtermangel herrschte, 3.200 für die Armee angekaufte Ochfeu, und
ein Leibeigener Namens Kaszap, der dem Kaiser Josef zur Fortsetzung des Krieges
gegen die Türken die damals bedeutende Summe von 30.000 Gulden geborgt hatte, wies,
als ihm uach einem halben Jahre das Capital nebst Zinsen zurückgezahlt werden sollte,
die letzteren gekränkt zurück mit den Worten: „Das Geld habe ich meinem Herrscher
geliehen, und ich möchte nicht gerne in einem Lande wohnen, wo man schon für ein halbes
Jahr Zinsen nimmt".
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Band 9
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (2)
- Band
- 9
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1891
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.56 x 21.98 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch