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des Kampfes, bis endlich in der Schlacht bei Szöreg auch der Flintenschuß des letzten
Honveds verhallt ist.
In den Fünfziger-Jahren ging es mit der Stadt langsam vorwärts, dann
aber, nachdem das verfassungsmäßige Leben eingetreten, schwollen die Segel wieder
von günstigem Winde und immer mehr nimmt die Stadt die charakteristischen Züge eines
bedeutenden Haudelsmittelpunktes, sowie die schimmernden Formen der westlichen
Städte an. Neben ihrem alten, vortheilhaft bekannten Gymnasium errichtet sie noch eine
treffliche Realschule, Industrie und Handel erweitern sich und passen sich den modernen
Anforderungen au; draußeu auf den Tanyas werden Bäume gepflanzt, wird der Boden
verbessert, werden Volksschulen eingerichtet; in der Stadt aber entstehen Sparkassen und
Banken, über die Hausdächer wachsen die stolzen Schlote einiger Fabriken empor, Schiffe
durchfurchen emsig den Strom, und das alles obgleich die Stadt mehr als die Hälfte
ihrer Kraft auf Dinge verwenden muß, welche die meisten Städte gar nichts angehen.
Die sanft fließende Theiß, die sie sonst mit Wohlthaten überhäuft, braust uud stürmt im
Frühjahr, wenn in den Bergen die Schneeschmelze beginnt, oftmals bedrohlich an die
Thore der Stadt heran. Da wird denn ein endloser Vertheidignngskrieg geführt. Die
Dämme und Wehren verschlingen große Summen und viel Menschenkraft, die sonst dem
Culturfortschritt zustatteu kämen. Ein bedeutender Theil der Bevölkerung widmet sich den
Erdarbeiten uud bildet sich für sie aus. Das sind die „Kubikos", eine gegen die Angriffe
der Theiß organisirte Armee, welche wohlgeübt ist im Bau der Dämme und im „Fangen"
des Wassers, das heißt im Verstopfen der entstandenen Breschen dnrch Säcke. Aber trotz
der Ablenkung so vieler Kräfte hat sich Szegedin unter die großen Städte emporgearbeitet
und geht einer glänzenden Zukunft entgegen, obwohl im Volksmnnd eine Legende lebt,
„die S tad t werde ihre frühere Größe erst erreichen, wenn die Vorfahren
zurückkehren." — Und siehe da, auch diese Unmöglichkeit ist zur Thatsache geworden.
Am 12. März 1879 brach die Theiß ein, um die nach der Bevölkerungszahl zweite
Stadt des Reiches hinwegzufegen. Die graue, schmutzige Flut, welche von der Westseite
der Stadt hereinströmte, füllte rasch alle Senkungen und erstieg sogar die Höhen. Sie
verschlang die niedrigen Häuschen, von denen nur hier und da ein Stückchen Dach oder
ein Rauchfang sichtbar blieb, zuweilen nicht einmal das. An den stockhohen Häusern leckte
die Flut bis zu deu obersten Fenstern empor. Von der einen Kirche sah man mir den
Thnrm. In dieser Stnrmnacht, deren traurige Chronik das Herz von ganz Europa
erschütterte, brach an einer Stelle Feuer aus, und die unheimliche Flamme beleuchtete den
furchtbar majestätischen Einzug des triumphirenden Elements; feurige Fuuken stoben in den
heulenden Lüften nmher, trieben auf den hochgeschwellten Wogen dahin und schwärmten
auf die Kähne nieder, welche die Flüchtenden trugen. Von einer halben Minute zur
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Band 9
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (2)
- Band
- 9
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1891
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.56 x 21.98 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch