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gibt es auch schon ebenerdige Häuser, doch mußten sie mit Vorgärtchen versehen werden.
Interessant sind in den äußeren Theilen der Stadt die gleichförmigen volksthümlicheu
Häuschen, nach Szegediner Motiven entworfen, aber zweckmäßig abgeändert und ver-
schönert. Nach der Gasse haben sie je zwei Fenster mit grünen Jalousien, hinter denen
man Mnscatblüten und Rosmarin erblickt; das Haus entlang zieht sich ein kleiner Säulen-
gang, ganz mit Schnüren von Paprikaschoten behängt. Zur Luke der Feuermauer heraus
hängt hergebrachterweise ein rother Maiskolben. Das „kleine Thor" und der „sonnen-
beschienene Dachgiebel" sind gleichfalls unvermeidlich.
Den dritten Ring bilden die gewaltigen Schutzwerke von Szegedin, die Deiche und
Ringdämme. Diese Molochs! Wie viel Geld haben sie schon verschlungen und wie viel
werden sie noch verschlingen! Aber auch nach einer anderen Seite ist das Menschenmögliche
geschehen gegen jedes Vorkommniß. Der Theißquai ist ausgebaut und das Erdreich an
den tiefer gelegenen Stellen dergestalt aufgeschüttet, daß eine gleich große Überschwemmnng
heute nicht mehr ein gleich großes Unglück bedeuten würde.
Im Herbst 1883, als der König zum zweiten Male Szegedin besuchte, fand er auf
der Trümmerstätte bereits eine neue Stadt, eine weit, weit schönere, als dort jemals
gestanden, schöner als sie selbst nach der romantischen Phantasie gewisser Geschichtschreiber
zur Zeit Sigismuuds gewesen sein konnte. Drei volle Tage lang hat der König da Hof
gehalten, so wie einst Matthias Corvinns. Mit seiner ganzen Umgebung, dem ganzen
Hofstaate kam er und unter glänzende» Festen vergingen jene drei Freudentage. Ein
schimmerndes, buntfarbiges Bild, wie aus dem ritterlichen Mittelalter, entrollte sich dem
Auge. Man sah Gala-Equipagen und malerische Gruppen von Magnaten in Pracht-
gewändern. Die Bürger von Szegedin schritten durch die Straßen in nationaler Festtracht,
den Säbel an der Hüfte, die Mente um die Schulter. Der König verlieh, während er dort
weilte, Belohnungen, Orden, Adelstitel; der Neuschöpfer der Stadt selbst erhielt den Titel
eines „Grafen von Szegedin", welchen vor vierhundert Jahren Stefan Sarszegi als
letzter getragen.
Später, als das königliche Commissariat zu Ende und das städtische Leben in sein
gewöhnliches Alltagsgeleise zurückgekehrt war, begann wohl eine gewisse Ermattung sich
geltend zu machen, wie sie auf besondere Anstrengungen nothwendig zu folgen pflegt, doch
kann sich diese nur auf Jahre, höchstens auf eine Generation erstrecken. Die Symptome
der Erschöpfung, welche sich in dem materiellen Sinken einzelner Einwohner zeigen, sind
zum beträchtlichen Theile auf die größeren Ansprüche zurückzuführen, denn die Wieder-
herstellung hat, im Verhältniß zn den Palästen der Stadt, mit einem Ruck auch das
sociale, geistige Niveau Szegedins gehoben. Und dies war der schwerere und löblichere
Theil des tüchtigen Werkes.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Band 9
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (2)
- Band
- 9
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1891
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.56 x 21.98 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch