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Das Cvmitat, die Stadt, der Gerichtshof, die übrigen Staatsämter, ein Theil der
katholischen Geistlichkeit und die patriotische Bürgerschaft, der Lehrkörper der Mittelschulen
und Erziehungsanstalten, die ungarische Presse und das ungarische Casino thun seit zwanzig
Jahren sehr viel zur Verbreitung des nationalen Geistes, so daß jetzt, namentlich seit der
Wiedererweckung des Verfassungslebens, auch das gesellschaftliche Leben von Temesvar
schon den ungarischen Charakter zeigt. Eifrig hat für die Weckuug des nationalen Bewußt-
seins ein trefflicher Sohu der Stadt gewirkt, der kürzlich verstorbene Friedrich Pesty,
Sectionssecretär der Akademie der Wissenschaften, der, solange er daselbst wohnte, durch die
von ihm redigirteu Zeitungen lind seine Fachwerke den öffentlichen Geist stark beeinflußte.
Die Zahl der Einwohner von Temesvar, mit Ausschluß der Besatzung, beträgt jetzt
33.694; die große Mehrheit ist der Sprache nach magyarisch und deutsch, die übrigeu sind
Walachen und Serben.
Die Umgegend von Temesvar zeigt zwar, besonders nach Westen hin, ganz den
Alsöldcharakter, doch ist sie weitaus belebter als andere Theile der großen Ebene, und
zwar wegen der durchziehenden Flüsse, welche sie nicht nur bewässern und befruchten,
sondern auch die reichen Hnmnsgelünde der Ufer zu alle» Zeiten besonders günstig und
anziehend für den ansiedlungslustigen Menschen gemacht haben. Daher sind hier anch die
Ortschaften viel dichter gesät als im übrigen Alsöld. Dieser schöne Landstrich ist von der
Maros, Theiß uud Douau begrenzt und im Inneren von zwei größeren Flüssen durch-
schnitten: der unterhalb Panesova in die Donau müudeudeu Temes uud der mit dieser
längere Zeit parallel lauseudeu uud dann bei Perlas in die Theiß fallenden Bega. Die
Bega ist von Claudius Merch, Gouverneur der Provinz, theils durch Vertiefung, theils
durch lange Durchstiche in einen Kanal verwandelt worden, womit nicht nur eine Strom-
reguliruugs-, sondern auch eine Entwässernngsarbeit gethan war; sowohl der Ackerbau,
als auch der Verkehr gewauueu dadurch und zugleich wurde eiue Änderung des Klimas
zum Besseren befördert. In der That besitzt das Alföld wenige Gegenden, die für die
Landwirthschaft gedeihlicher wären als die Umgegend von Temesvar.
Die ziemlich dichte Bevölkerung lebt zwar in erster Reihe vom Ackerban, doch
beschäftigen auch Industrie und Handel viele Menschen und sind mächtige Hebel jenes
Wohlstandes, der anf diesem weiten Landstriche auch für die unteren Schichten des Volkes
als allgemein gelten darf. Die Straßen, Eisenbahnen und Wasserwege bilden in diesem
Gebiete ein förmliches Netz und erleichtern es auch den abgelegeneren Ortschaften nicht
wenig, die näheren oder entfernteren Märkte zu besuchen.
Die Ortschaften liegen meist in fruchtreichen Gemarkungen und sind größtenteils
hübsch und regelmäßig gebaut. Mau sieht es ihnen sogleich an, daß sie nach wohlbedachtem
Plane und auf Eommaudo entstanden sind. Die den ersten Ansiedlern eingeräumten großen
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Band 9
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (2)
- Band
- 9
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1891
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.56 x 21.98 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch