Seite - 576 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Ungarn (2), Band 9
Bild der Seite - 576 -
Text der Seite - 576 -
576
Bauernburschen in der Musik unterweist. Einige dieser deutschen Dorsmusikeu bringen es
in ihrem harmonischen Handwerk so weit, daß sie selbst die schwierigsten Musikstücke nach
den Noten überraschend gut vorzutragen verstehen. Einen besonderen Ruf haben sich die
deutschen Kinder-Musikkapellen von Zsombolya, Varjas und Groß-Becskerek erworben,
welche sogar Kunstreisen im Ausland machen.
Trotz ihres ziemlich hohen Bildungsgrades ist unter den südungarischen Deutschen
noch viel Aberglaube und Vorur thei l verbreitet. Ist Einer krank und fühlt sich
Sonntags besser, so wird die Besserung nicht von Dauer sein, ja er kann leicht sterben.
Fühlt sich dagegen der Kranke am Sonntag schlechter, dann darf man wohl auf seine
Genesung hoffen. Macht Jemand seinen ersten Besuch bei einem Kranken, so muß er sich
hinter den übrigen verbergen, um vom Patienten nicht gleich bemerkt zu werden. In
solchem Falle pflegt man ganz leise den Spruch herzusagen:
„Sünder! wenn du leidest zur Büß,
So rühre den Fuß;
Leidest du aber zum End',
So rühre die Häud'."
Und wenn dann der Kranke zufällig das Bein bewegt, so ist noch Hoffnung, daß er genese,
regt er aber von ungefähr eine Hand, so hält man ihn für verloren. Wenn am Kranken-
bett der Docht des brennenden Lichtes sich hakenförmig nach abwärts krümmt, so bedeutet
dies den Tod des Kranken. Läßt sich der Strick unter dem ins Grab hinabgelassenen Sarge
nur schwer wieder hervorziehen, so stirbt bald wieder Jemand aus derselben Familie. Im
Sterbehause muß mau alle Stühle, auf denen der Sarg geruht, umstürzen, sonst kehrt die
Seele des Todten zurück. Brennt bei einer Trauung die Kerze auf der einen Seite des
Altars schwächer, so stirbt die Ehehälfte, die auf jener Seite steht, früher als die andere.
Die flackernde Flamme der Altarkerzen aber bedeutet, daß es unter den Eheleuten viel
Hader geben wird. Ein am Mittwoch geworfenes Kalb bleibt nicht am Leben. Dem Huhn
müssen die Eier bei Vollmond, und zwar unpaarig untergelegt werden. Nach Sonnen-
untergang darf man kein Brot und keine Milch ans dem Hause geben. Das Brot geht
nicht auf, wenn beim Kneten ein Mann zusieht.
Von Hexeu und Geistererscheinungen wissen sie viel zu berichten. Auch die
Irrlichter sind sehr gefürchtet, weil sie Einen ins Verderben locken können. Die Nacht vor
dem ersten Mai verhängen sie Thür, Thor und Fenster, wie überhaupt jede Öffnung am
Hause mit Fliederzweigen, damit die Hexen nicht hinein können. Auch einen Pferdeschädel
pflegt man zn dieser Zeit über dem Hausthor anzubringen. Am Dreikönigstag zeichnet
man mit geweihter Kreide drei sich durchschneidende Dreiecke, den „Truteusuß", an die
Stnbenthür, damit die Hexe (der Alp) Keinen, der in der Stube schläft, drücken kann.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Band 9
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (2)
- Band
- 9
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1891
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.56 x 21.98 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch