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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Ungarn (2), Band 9
Seite - 577 -
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577 Eine große Rolle spielt bei den südungarischen Deutschen das „Brauchen", „Absprechen", „Abbeten", „Wahrsagen", Traumaus legen und dergleichen mehr. Sie glauben, daß man jedes lebende Geschöpf bezanbern kann, daß es jedoch Mittel gibt, welche von dem Zauber befreien köuueu. Das Absprechen, Abbeten heilt gleichermaßen Mensch wie Thier, und es gibt zauberkräftige Berührungen, Worte, Handbewegnngen, welche selbst die bösesten Gebreste und Wunden heilen. Gegen Halsleiden, Kehlkopf- entzündungen, Ausschläge, Warzen und das Schädigen der Kühe ist es gut, Knospen des Osterkätzchens zu schlucken. Die Kohle des geweihten Charsamstagsseners bewahrt vor Käfern und Heuschrecken. Steckt man etwas von dem Fronleichnamslaub ins Dach, so meiden gefahrbringende Wolken das Haus. Wird Jemand von schlechten Menschen mit dem bösen Blick geschädigt, soll er neun Kohlenstücke in Wasser ablöschen und sich mit diesem waschen, u. s. w. Sehr lehrreich sind die markigen Sprichwörter und treffenden Redensarten der Deutschen; einige derselben mögen hier stehen, denn auch diese volkstümlichen Äußerungen kennzeichnen genau die Sinnesart und Denkweise, die Gefühlswelt und überaus praktische Ausfassung der südungarischen Deutschen. Wer will borgen — sagen sie — der komme morgen. Gott lost (hört) uicht auf jeden Narren. Eines Jeden Mund kannst du mit Kuchen stopfeu. Der Schmied hält die Zange in der Hand, damit er sich nicht verbrenne. Eine Frage hilft mehr als langes Suchen. Es ist nicht alle Tage Ostern. Wo nicht deine Schüssel ist, tauche den Löffel uicht ein. Wer zum „Ulaker" (gemeines Taschenmesser) geboren ist, bekommt sein Lebtag kein „Knappmesser" n. s. w. Für geistige Beschäftigung bleibt dem deutschen Bauer in Südnngarn wohl nnr wenig Zeit übrig, doch ist jetzt auch darin ein namhafter Fortschritt wahrzunehmen. In den meisten Häusern findet man bereits ein paar Geschäftsbücher, Kalender, Erzählungen, die Legeudeu der Heiligen und die heilige Schrift. Die deutschen Volksbücher, z. B. die schöne Melusiue, Fortuuatus und seine Söhne, die sieben Schwaben, Till Enlenspiegel und andere Historien dieser Art erfreuen sich allgemeiner Beliebtheit. Auch Zeitungen werden viel gehalten. Sie haben Casinos oder doch bescheidene Lesezirkel. In diesen liefert den Gesprächsstoff selbstverständlich die Politik und uebstdem die öffentlichen Angelegenheiten in Eomitat und Gemeinde. Je mehr die Zeitungen an Boden gewinnen, desto lebhafteren Antheil uehmen die Deutschen auch au den Angelegenheiten des Landes. In politischen Dingen ist der Deutsche gemäßigt. Den Hauptgegenstand seines Interesses an den öffent- lichen Angelegenheiten bildet die Verwaltung seines eigene» Wohnortes. Sein größter Ehrgeiz besteht darin, wenigstens einmal im Leben Richter, Geschworener, Gemeinde- vertreter oder Mitglied des Comitatsausschusses zu werden. Die Gemeindewahlen erregen sein Interesse ganz besonders und bringen sein Blut in stärkere Wallung. Schon ein Jahr Ungarn II. 37
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild Ungarn (2), Band 9
Titel
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Untertitel
Ungarn (2)
Band
9
Herausgeber
Erzherzog Rudolf
Verlag
k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
Ort
Wien
Datum
1891
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
15.56 x 21.98 cm
Seiten
682
Schlagwörter
Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
Kategorien
Kronprinzenwerk deutsch
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