Seite - 604 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Ungarn (2), Band 9
Bild der Seite - 604 -
Text der Seite - 604 -
004
hält für jeden Sohn ein Reitpferd, das jeder mit seltener Geschicklichkeit an seine Hand
gewöhnt und wie in den Sattel gewachsen reitet. So wie das Mädchen sich durch Schönheit
nnd Kleidung auszeichnen will, liebt es auch der Bursche, durch eiu schöues Pferd uud
Leistuugsfähigkeit beiin Weine aufzufallen. Und Gelegenheit zum Trinken gibt es genug,
denn der Buuheväcze liebt gesellige Unterhaltung, z. B. den Kolo (Ringelreihen),
Pre lo (Spinnstube) uud Divau (Gespräch), die auch bei den Serben gebräuchlich siud,
nur daß diese sich dazu auf dem Dudelsack, die Buuyeväczeu aber auf der Tambura
aufspielen lassen.
Große Lustbarkeiten finden bei den Kindstaufen (Kabine) und dem Leichen-
schmaus (pockuse^e) statt; da treibt man es bis nach Mitternacht nnd dann beginnt erst
das „Prat i f i reu" . Dieses Wort bedeutet „begleiten"; man geleitet nämlich das
würdigste Mitglied der Gesellschaft heim, weckt dessen ganzes Hausvolk aus dem Schlafe
uud setzt das Esse» und Trinken bei ihm so lange fort, bis man wieder zu einem anderen
Mitgliede der Gesellschaft weiter „pratisirt", und so fort bis znm Morgen.
Interessant siud die Hochzeitsgebräuche, uameutlich die Trauung, welche meistens
im Herbst stattfindet. Einige Tage vorher machen sich die Mnßtnluudschias auf den
Weg, um die Gäste zu ladeu. Sie siud die Hochzeitsbitter und werden unter den Freunden
des Burschen gewählt; die Pferde mit bunten Tüchern und Bändern aufgeputzt, deu
sträußcheubesteckten Äulacs (ungarische Feldflasche) in der Hand, reiten sie in die Runde
zu alleu bekannten Herren- und Sippenhäusern. Bei der Trauung aber bilden sie die Ehren-
wache der Braut, die ja in der türkischen Zeit, denn aus dieser stammt der Brauch, gar
wohl bewacht werden mußte, wurde doch so manchesmal der Zug durch eiue Schar vou
Fraueuräuberu überfallen. Auch die Sz ta t je las (Gevattern, Beistände), welche vor
der Tranuug iu das Haus der Braut geschickt werden, haben ursprünglich den Beruf, Wache
zu halten, doch sieht man jetzt mehr auf tüchtige Zechkraft uud wählt aus diesem Gesichts-
punkte drei ältere Männer, denen dann die Verwandten der Braut alle Ehre authuu,
indem sie sie gehörig durchfeuchten. Wenn sich dann der Hochzeitszug iu Bewegung setzt,
alle Wagen nach einer bestimmten Rangabstufung hinter einander, will die Reihe schier
kein Ende nehmen. Nach der Trauung jedoch sondern sich die beiden Familien von einander
und nehmen jede für sich das Mahl ein, erst Nachmittags wird im gestreckten Galopp
das Mädcheu abgeholt, nachdem es vorher in der ganzen Stadt hernmkntschirt worden.
Sobald man mit ihr wieder im Bräutigamshause eintrifft, beginnen daselbst die mehrtägigen
Unterhaltungen und der Austausch vou Geschenken verschiedener Bedeutung. Der neue
Schwiegersohn macht am zweiten Sonntag vor Weihnachten seinen ersten Besuch im Elteru-
hause seiner Fran, diese selbst erst am Sonntag darauf. Jener Tag heißt Matericza,
dieser Ocza (Tag der Mütter, Tag der Väter), und da pflege« auch die Kiuder
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Band 9
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (2)
- Band
- 9
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1891
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.56 x 21.98 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch