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erhalten, sondern auch weiter fortgebildet. Auffallend ist es bei der serbischen Haus-
industrie, daß bei ihr die ganze Familie mitwirkt. In der serbischen Hausindustrie wird
die fleißige Hand von einer sinnreichen Phantasie und edlen Geschmack geleitet, welche den
Erzeugnissen einen kunstgewerblichen, ja sogar einen künstlerischen Charakter verleihen.
Besondere Geschicklichkeit uud Geschmack zeigt sich in den Stickereien der Tücher, zu deueu
Gold-, Silber- und Seidenfäden, allein oder gemischt, verwendet werden. Auch die seidenen
oder halbseidenen Hemden sind mit deu schönsten und theuersten Stickereien geschmückt;
die mit feinen Seiden- und Goldfäden abwechselnd durchwirkten Stoffe (sacki, herheliM)
werden besonders am unteren uud obere» Räude mit reichen Goldstickereien verziert. Auch
im Spitzenklöppeln, oft unter Anwendung verschiedenfarbiger Fäden, ist die Frau geschickt.
Diese alte serbische Hausindustrie siudet in ihrer einfachen, geschmackvollen Technik auch im
gebildeten Westeu mehr und mehr Nachahmung. Diese Arbeiten sind leicht wie ein Hauch;
je schöner und weicher der Stoff, je zarter die Farbenmischung, desto werthvoller sind sie.
So gewebte Spitzen sind ein gleichsam aus Seide gesponnenes Gedicht, die Ränder sind
die Reime, die Blumen die gestickten Ideen.
Für Gesang und Poesie hat das serbische Volk einen überaus lebhafte» Sinn; in
seinem Munde lebt ein ganzer Schatz von Volksliedern nnd anderen Gesängen. Das Lied
muß selbst die Tagesarbeit erleichtern und die ganze Natur wird mit dichterischem Auge
betrachtet. Die Lerche ruft — im Liede — deu Landmann zur Arbeit, die Wachtel
verspottet den trägen Arbeiter, die Nachtigall lehrt den Burschen uud seiu Mädchen
die treue Liebe, der Falke eifert den Jäger zum Waidwerk an, der Rabe bringt eine
Trauernachricht.
Die Serben sprechen den schönsten slavischen Dialect, dessen klangvolle, melodische
Lallte sich trefflich für die Dichtkunst eignen.
Die Tracht der Serben ist in verschiedenen Gegenden verschieden. Im Sommer
tragen die Männer meistens nur eine weite weiße Linnenhose und ein Hemd mit einem
Gürtel um den Leib. Über dem Hemde wird eine blaue Tuchweste und, je nach der Jahres-
zeit, eine Jacke (ckolama) oder ein Pelzwamms angezogen. Die Jacke ist aus duukelblauem
oder schwarzem Tuch gemacht. Als Kopfbedeckung dient eine Pelzmütze oder ein Hut mit
breitem oder schmalem Rande, als Fußbekleidung der Bundschuh oder hohe Stiefel. Das
Obergewaud ist die Suba oder Buuda aus Lammfell, im Regenwetter und bei Ärmeren
auch sonst der weiße grobe Tnchmantel („Szür" der Ungarn), dessen viereckiger Kragen
mit rothem oder blauem Tuch eingefaßt ist. Die wohlhabenderen Bauern tragen meist
dunkelblaues oder schwarzes Tuchgewaud: Dolmäuy, Weste mit Silberkuöpfeu, enge
Stiefelhose. Der Dolmäny reicht gewöhnlich bis an die Hüfte und kann auch gefüttert und
verbrämt oder ganz ans Fell sein. Die weibliche Tracht ist verschwenderisch ausgestattet.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Band 9
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (2)
- Band
- 9
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1891
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.56 x 21.98 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch