Seite - 638 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Ungarn (2), Band 9
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Mit großen brennenden Wachskerzen, unter der Absingung von Kirchenliedern, begeben
sie sich in die Mitte der Kirche, wo an dem mit kirchlichen Sinnbildern versehenen Tische
der Priester die Hände des Brautpaares uiit einem durch den Dever gekauften Seidentuch
zusammenbindet, die Brautjungfern die Häupter uud Schultern des neuen Paares mit
dem durch deu Küm, Starisvat und Dever gekauften „preves" (seidene oder andere
Kleiderstoffe in ganzen Stücken) verhüllen. Dann setzt der Priester zuerst die Krvue dem
Bräutigam auf und sagt: „Gottes Knecht, ich kröne dich für die Magd Gottes." Dauu
setzt er sie der Brant auf mit den Worten: „Gottes Magd, ich kröne dich zum Weibe dieses
Mauues, sei ihm Begleiterin und Genossin dieses Leben hindurch!" Darum neuueu die
Serbeu die Trauung auch Heiratskröuuug. Die Vermählten behalten die Kronen bis zum
Ende der Ceremonie auf. Die Kronen waren ehemals nur Kränze aus Blumen oder
frischem Laub, um die uuverwelkbare Jugeud und Keuschheit zu versiuubildlicheu; jetzt
siud es wirkliche Kronen, bei den Reichen aus Gold oder Silber, bei den Armen aus
anderem Metalle.
Bei der Trauung gibt der Priester dem neuen Paare aus einem durch den Dever
gekausteu Glase voll rothen Weins dreimal zu trinken, nicht mir um au die Hochzeit von
Kana zu erinnern, sondern auch um durch das gemeinsame Trinken an deu gemeinsam zu
leereudeu Freuden- oder Leidensbecher zu mahnen.
Wenn der Priester die Worte spricht: „Die Frau fürchte ihren Mann", da tritt der
Bräntigam der Brant auf deu Fuß, zum Zeichen, daß er von nun an ihr Herr und
Gebieter ist. Nach der Trauung spricht der Priester die Worte: „Die Kirche Gottes freut
sich, daß Ihr uuter ihre Mitglieder eingetreten seid." Küm und Starisvat stehen als
Zeuge», brennende Kerzen haltend, hinter dem Paare, das sich nach Beendigung der
Ceremonie zu ihnen umwendet uud ihnen die Hand küßt.
Nach der Trauung geht die Hochzeitsgesellschaft unter lustigem Gesänge nach dem
Hanse der Braut, wo die Eltern schon ihrer harren, um sie mit allerlei Nationalspeisen
reichlich zu bewirthen. Während des Mahles zählt der Tschansch in sehr belnstigender Weise
die Speisen auf, welche dieser und jener geladene Gast gespendet. Hat z. B. Einer ein
Spanferkel gebracht, so sagt der Tschansch: „Dieser Gast wohnt nahe am Wasser nnd hat
eine Wasserratte gefangen." Ist das Geschenk ein Huhu, so stellt er sich, als hielte er es
für eine Krähe oder dergleichen; ist es ein stark gehörnter lebendiger Widder, so fragt er:
„Was mag das wohl für ein Vieh sein, eiu Hirsch oder ei» Ochse?" Aber jeder solchen
Vorstelluug fügt der Tschansch zum Schlüsse den Satz bei: „Zu seiuem (des Gebers) Ruhme
uud allen seinen Brüdern zu Ehren" (das heißt, hat er es gespendet). Dann tragen meistens
zwei Burschen die Geschenke an einer Stange, wohl auch eiuer Fahnenstange, hinein, wobei
sie absichtlich hinken, als könnten sie die ungeheure Last kaum schleppen.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Band 9
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (2)
- Band
- 9
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1891
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.56 x 21.98 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch