Seite - 642 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Ungarn (2), Band 9
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Allgemein ist auch der Glaube au die Vilas. Die Vila ist nach dem Volksglauben
eine schöne juuge Frau mit langem blondem Haar und weißem, aus Sonnenstrahleu
gewebtem, mit Sternen besätem Gewand. Ihr Wuchs ist schlank wie eine Tanne, ihr leichter
Körper wiegt sich auf goldenen Flügeln. Ihre Augen funkeln wie der Blitz, ihre Stimme
ist so süß, daß, wer sie einmal singen gehört, niemals wieder aus Meuschenworte hört: hat
sie aber Einer mit Augen gesehen, so verfällt er dem Trübsinn nnd siecht zu Tode. Sie
besitzt eine wunderbare Zaubermacht. Die nationale» Helden jedoch sind die Günstlinge
der Vilas. Auch der Glaube au Hexeu, Gespenster uud böse Geister ist sehr verbreitet. Die
Hexe ist ein altes Weib, dessen Seele in der Gestalt einer Fledermaus oder eiues Nachtu
salters hiu uud her flattert, dem Schlafenden die Brust aufreißt und das Herz herausfrißt.
Bei Tage sammelt sie Heilkränter und heilt damit: man schreibt den Hexen meistens Zauber-
kräfte zu. Eine besondere Art von Hexe ist die M ora (Alp), welche Nachts den Schlafenden
drückt, ja erdrücken kann. Die drei Schicksalsfrauen aber (suchvnice) erscheinen gleich bei
der Geburt des Kindes uud bestimmen ihn« sein künftiges Geschick.
Der Vukodlak ist ein Vampyr, das heißt böser Geist, der sein Grab verläßt. Der
Glaube an ihn ist bei deu Slaven allgemein. Der Vampyr schläft im Grabe mit osfeueu
Augen nnd mit starrem Blick; Haare und Nägel wachsen ihm, in seinen Adern fließt
kaltes Blut. Er verläßt das Grab nur bei Vollmond, um die Lebenden heimzusuchen. Er
hat kem menschliches Empfinden, ja er behelligt die Verwandten und guten Freunde am
meisten. Er öffnet dem Menschen die Rückenadern auf uud saugt ihm das Blut ans, oder
er reißt ihm die Kehle heraus. Der Mensch kann durch die Strafe Gottes zum Vampyr
werden, oder wie Andere glauben, durch das Schicksal. Der Biß des Vampyrs ist daran
zu erkennen, daß er rothe und blaue Flecken zurückläßt. Stirbt Jemand am Biß des
Vampyrs, so wird er gleichfalls zum Vampyr. Das Grab des Vampyrs erkennt man an
dem furchtbaren Lärm, deu er darin macht, indem er um sich beißt und sogar sich selbst
zerfleischt. Heißt es von einem Todten, daß er ein Vampyr sei, so wird er nnverweilt aus-
gegraben. Ist der Leichnam schon in Fänlniß übergegangen, so besprengt ihn der Priester
mit Weihwasser: ist er aber roth, so stößt man ihm eiueu Dolch ins Herz, damit er nicht
mehr ausstehen könne, oder schießt ihm eine Pistolenkugel in den Kopf, worauf man ihn
verbrennt uud die Asche ins Wasser streut. Dieser Aberglaube ist in der Volksseele so fest-
gewurzelt, daß es lange währen wird, bis die Volkserziehung ihu ausrotten kann; anch
klingt dieses krankhafte Phantasiegebilde aus manchem serbischen Volksliede heraus.
Bei alle» serbischen Festen oder Lustbarkeiten sind die Gusla nnd der Kolo
unerläßlich.
Die Gus la und die Guslaren. Die Gusla <LU?Ie) ist eiu einfaches Instrument,
am besteu mit der Mandoline vergleichbar, mit Ziegeuhaut überzogen nnd mit einem langen
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Band 9
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (2)
- Band
- 9
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1891
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.56 x 21.98 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch