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merkwürdigste Stück des Bildes bietet aber der Anblick jenes Theiles des Karstes, der
sich zwischen dem Jsonzothal und Jdria ausdehnt. Die Seltsamkeit dieser kahlen Hoch-
flächen und ihrer Thäler mit den verschwundenen Flüssen ist schwer zu beschreibe». Weit
reicht der Feigenbaum auf diesen Berg hinauf. Oben vor dem Wirthshause steht eine
große Linde, unter welcher man wohl den ausgedehntesten Fernblick genießen kann. Ein
leidlicher Karrenweg führt auf die Höhe. Der Blick gegeu Norden über den Karst ist
mehr als einmal mit der Landschaft von Jerusalem und dem Todten Meere verglichen
worden. Diese Vergleichnng trifft in vielen Zügen zu. Nur in Einzelheiten möchte die
Untersuchung Verschiedenes auffinden. Dieses stört aber weder in den Farben, noch in
den Linieu die merkwürdige Ähnlichkeit der beiden Landschaften. Wenn hier in den
Schluchten uud auf deu verwitterten Halden hier und dort Spiräen, Brombeersträucher,
Wachholder- uud Mäusedorugestrüpp Schöupflästerchen darstellen, so sind es dort, in den
Wadis, einzelne Flüchtlinge, verwilderte Feigen- und Pomeranzenbäume, verkrüppelte
Sykomoren. Wasser bewegt sich hier so wenig als dort.
Versetzen wir nns nnn wieder in die Tiefe hinab, an den Fuß des Berges, an
welchem die Chaussee, der wir mit dem Flusse aus der Umgebung des Predil bis hierher
gefolgt siud, vorüberzieht. Noch immer glaubt mau sich mitten im Hochgebirge. Niemand
ahnt, daß er sich wenige Schritte von einer Stadt entfernt befindet, noch weniger aber,
daß er vom Kastell dieser Stadt aus schon bis zum Meere zu blicken vermag.
Noch ein Kilometer weiter — dann dnrchreißen die opalfarbigen Wellen des Jfonzo
den Wall des Fncoidensandfteins, der sich als Niederschlag aus späterer Brandung gegen
die Kalksteiuriffe hingelegt hat, — den letzten Riegel, die letzte Bodenschwelle vor dem
heutigen Meeresstrande. Dieser letzte Wall, der sich im Halbkreise an das Hochgebirge
anlagert, dessen Abhang nach Mittag gerichtet ist, verhält sich gegen die Wärmewellen der
südlichen Sonne so, wie ein sphärischer Spiegel gegen die Wellen des Lichtes. Darum sind
anch die Örtlichkeiten am Rande dieses Halbkreises, von Lncinico an bis unter Castagna-
pizza hin, diejenigen Stätten des Görzer Bodens, auf welchem die Ölbäume am freudigsten
gedeihen und die winterlichen Rosen am längsten blühen. Besonders anmutheud wirkt dieser
Mauerbruch, den sich die vom weißen Triglav herabströmenden Wässer geöffnet haben,
auf den Wanderer ein, der seinen Rand von Norden her erreicht. Denn jetzt eröffnet sich
mit einem Schlag der grüne Randstreifen vor dem Meere und auf Goldhintergrund winkt
ihm die Gartenstadt.
Bevor wir von unserer Betrachtung der Hochgebirgszone des Küstenlandes uns zu
eiuer Reise durch die zweite Zoue, das Gebiet des sruchtreicheu Hügel landes und der
Vorstufen des Karstes, anschicken, ist es nothwendig, uns noch jenes mächtige Massiv, die
Hochfläche des Ternovaner Waldes, näher anznschaueu, welches uns bereits vom
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Das Küstenland, Band 10
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Das Küstenland
- Band
- 10
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1891
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.63 x 22.44 cm
- Seiten
- 390
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch