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ihren Duft aus. Hier und dort klaffe» große Schachte als Eingänge in eine unbekannte
Unterwelt, in ein Gewirr von Höhlen und Gängen, von Hohlräumen und Abgründen,
den Denkmälern verschwundener Flußläufe, dereu Wässer im Kreidekalk wie durch eine
Fistelbildung sich tiefer gesenkt haben und noch senken. Diese Gegend wird von Düften
begnadigt, wie sie in solchem Gemenge kaum wieder vorkommen: salzigem Anhauch des
Meeres, trockener Wüstenluft, die über weiten, kahleu Klippeufelderu lagert, und Luft
des Hochgebirges, welche von den nahen Wällen der jnlischen Alpen herabströmt. In
den Zeiten der Römer wurden die weiteren Umgebungen dieses Erdstrichs viel mehr
gewürdigt. Aquileja, dessen Kirchthurm man vou Nabresiua aus sieht, wurde zum zweiten
Rom. Hier liefen die Straßen aus Italien, Dalmatien, Pannonien und Norienm zusammen.
So berühren fich auch klimatisch auf dem Bodeu vou Nabresiua die Einwirkungen von
Süd-, Mittel- und Osteuropa.
Anders nimmt sich der Karst allerdings weiter oben jenseits Divaea (Divazza) in
der Umgegend der berühmten Höhlen von St . Canzian aus. Wer sich einen Begriff
von jenen Gestaltungen machen will, der bemühe sich zu dem ein Kilometer nördlich von
St. Canzian entfernten Dörflein Gradisee. Dort ist eine Rundschau, wie sie vielfach auf
der Rinde des Mondes, aber nur selten auf derjenige» der Erde anzutreffen sein mag.
Es ist ein Gewirre vou ringförmigen, weiten Schlünden, zusammenhängenden Angriffs-
punkten von Wasser und Luft, iu dereu Abstürze man bis zu einem Drittel hinunterschaut.
Die Grot ten von S t . Canzian, wie man mit einem Gesammtnamen alle die Hohl-
räume bezeichnet, in deren Nähe der von den Grenzen Krams und des Küstenlandes
kommende Rekafluß iu die Unterwelt eingeht, sind, insbesondere seit die frühere Schwierig-
keit des Zuganges beseitigt worden ist, ein Schaustück ersten Ranges, nicht nur iu unserer
Monarchie, sondern geradezu eiue Weltsehenswürdigkeit, mit welcher sich andere Fluß-
grotten, wie z. B. die von ^vtre ciame <Zs la Laline im Departement der Jsere östlich
von Lyon oder die von der k'ontains Vnucwse, östlich bei Avignon, nicht vergleichen
können. Das Ganze ist eine Reihenfolge von Abgründen, Klammen, Höhlen, Schachten,
Wasserstürzen. Die gewaltigste Scenerie umgibt die sogeuannte große Dolina. Der beste
Standort, sie übersichtlich zu betrachten, ist die Stephaniewarte.
Die „Grotten von St. Canzian" sind eine Zusammenstellung von Wasser- nnd
Stalaktitengrotten, wie sie iu dieser Weise nirgends wieder vorkommen. Nicht wenig über-
rascht schon Denjenigen, der von Mattauu gegen das Kirchlein des heiligen Canzian geht,
ein Abblick in die Okroglica, einen großartigen kreisförmigen Abgrund. Der Führer wirft
einen schweren Stein durch das Loch in der Mauer, der den Augen alsbald entschwindet,
aber fort uud fort durch Gepolter seine Bewegung verräth. Das Getöse verschwimmt
schließlich in dem der Wässer.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Das Küstenland, Band 10
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Das Küstenland
- Band
- 10
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1891
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.63 x 22.44 cm
- Seiten
- 390
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch