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gebrochenen Tonnengewölbe ihres Mittelschiffes und die Spitzbogen ihrer Arkaden und
Fenster zurück. Aus demselben Jahrhundert sind auch mehrere Sarkophage im Innern der
Kirche, währeud der kleine, beim linken Seitenportal stehende Rundbau („saei-ai-io"),
zweifellos ein heiliges Grab, der Zeit romanischen Stils angehört. Er war ursprünglich
mit einer flachen Kuppel nach Art römischer Bauten gedeckt, nicht mit dem steilen Zeltdach,
das ihm eine spätere Restauration gegeben hat.
Von den ehemaligen Kirchenschätzen der beiden Patriarchenstädte ist so gut wie
nichts an Ort und Stelle zu finden und es hat sich auch bisher Niemand der lohnenden
Aufgabe unterzogen, ihrem einst so reichen, jetzt zerstreuten Bestände nachzuforschen.
Besonders Grado entfaltete eine wahrhaft orientalische Pracht und wetteiferte in der Fülle
und der Kostbarkeit seiner Reliquienschreine, seiner goldenen und silbernen Altäre, seiner
Lampen, Votivkräuze, Tabernakel und Weihrauchgefäße, seiner Stoffe und Gewebe selbst
mit Hagia Sofia in Constantinopel. Was die Zeit davon nicht dahinraffte, hat meisten-
theils Venedig übernommen. So stand zu Grado der berühmte alexandrinische Bischofs-
stuhl, ein Geschenk des Kaisers Heraelius an den Patriarchen Primigenius (um 630), bis
ihu 1520 die Republik vou San Marco in ihre Dogenkirche brachte, in deren Antitesoro
er noch heute zu sehen ist. Aus einem Cipollinoblock gehauen, zeigt er in flachem Relief
auf dem kreisförmigen Aufsatz seiner hohen Rückenlehne vorn und hinten je zwei
Evangelisten rechts und links vom Kreuzeszeichen, deren geflügelte Symbole aber an den
Außenflächen der Rücken- uud Armlehnen nnd das mystische Lamm und den Lebensbaum,
von dessen Wurzel die vier Paradiesflüsse ausgehen, an der inneren Seite der ersteren.
Heute bewahrt die Kirche von Grado außer der ä'oro des Hochaltars aus dem
Jahre 1372, eiuem Reliqniare und einem Evangeliare, die demselben Jahrhundert
angehören oder uur um weniges älter sind, als bescheidene Zeugen seines einst über-
schwänglichen Reichthums nur noch drei Reliquienbehälter. Sie sind zusammen in einer
marmornen Kiste verpackt 1871 uuter dem Hochaltar aufgefunden worden und enthielten
ohne Zweifel die Reliquien von Märtyrern, welche in den älteren Zeiten des Christen-
thums uuter den Altären geborgen zu werden pflegten. Doch sind sie keineswegs gleichen
Ursprungs. Das eine Reliqniar, ein winziges Kästchen aus Gold von rechteckiger Form
und mit einen« in Email eingelegten Krenze auf dem Deckel, ganz ähnlich einem anderen,
das in Pvla zum Vorschein gekommeu ist, stammt aus dem griechischen Orient, woher es
wohl mit seinem Inhalt zugleich gekommen ist. Es lag in dem zweiten, einer größeren
kreisrunden Büchse aus Silber, deren Deckel das Bild der thronenden Mnttergottes, das
Kind im Schoße und das mit dem Kreuzeszeichen endigende Scepter in der Rechten, in
getriebener Arbeit ziert. Das dritte Reliqniar, ebenfalls aus Silber, ist elliptisch; auf
seiuem Deckel ist zwischen zwei Lämmern das Krenzessymbol ans einem Hügel, dem die
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Das Küstenland, Band 10
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Das Küstenland
- Band
- 10
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1891
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.63 x 22.44 cm
- Seiten
- 390
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch