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leuchtendem Auge und goldig wallendem Haare, iu welchem ihre Stärke liegt, mit lieblich
tönender Stimme uud von unvergänglicher Jugend und Schönheit, — so erscheint die
Vila der Einbildungskraft des Volkes. Der rauschende Quell, die waldige Bergkuppe, der
schattige Hain, sie alle stehen unter dem Schutz besonderer, ihnen eigenthümlicher Vilen.
Die Vilen lieben Spiel, Tanz und Musik uud wer jemals ihrem Gesaug gelauscht hat,
findet an menschlicher Stimme niemals mehr Wohlgefallen. Sie heilen Krankheiten und
können selbst Verstorbene zum Lebeu wieder erwecken. Dichtern nnd Helden sind sie
namentlich freundlich zugethan. Letztere schützen sie im Kampfe wie die Walküren die
dentschen Krieger. Wer sie beleidigt hat, auf den schleudern sie indeß die Geschosse ihrer
selbst geschmiedeten glänzenden Waffen, nie ohne ihn zu Tode zu treffen. Glücklich aber ist
zu preisen, wem sie ihre Gunst zugewendet haben.
Neben diesen Überbleibseln uralter Stammesüberlieferungen trifft man noch auf
gauz vereinzelte Spuren eines Glaubens neueren Ursprungs, der vor etwa drei Jahr-
hunderten unter den Slovenen, die heute durchwegs eifrige Katholiken sind, zahlreiche
Anhänger zählte. Hier und da soll in den Gehöften des Wippachthals ein Exemplar der
Luther'schen Bibel, welche Primus Trüber im Zeitalter der Reformation in das Slo-
venifche übersetzt und in Tübingen hatte drucken lassen, als mit Ehrfurcht behüteter Schatz
bis in die jüngste Zeit erhalten geblieben sein.
Es kann nicht wundernehmen, daß Aberglauben noch häufig unter dem Landvolke
beider Nationalitäten angetroffen wird. Was anderswo als gute oder böse Vorbedeutung
gilt, wird auch hier dafür angesehen, allein bemerkenswerth ist, daß man die gegenwärtigen
Diener der Kirche dabei mit Kräften ausgestattet hat, die mit ihrem Berufe nichts gemein
haben. So wird vielfach geglaubt, daß es die Priester iu ihrer Gewalt haben, Wetterwolken
nach ihrem Willen zu lenken, und daß einzelne uuter ihnen davvn Gebrauch macheu, um
Gemeinden mit vernichtenden Hagelschlägen heimzusuchen, iu welchen Amtsbrüder, gegen
welche sie feindselige Empsinduugeu hegen, als Seelsorger wirken. Dann gibt es wieder
Priester, denen die Landleute deßhalb besonderes Vertrauen entgegenbringen, weil sie
dafürhalten, daß jene im Besitze besonders kräftiger Gebetsprüche seien, welche jeden
Schaden von den Ernten ihrer Schutzbefohlenen mit größerer Sicherheit fernzuhalten ver-
mögen, als es das sonst übliche Wetterlänten und Verbrennen geweihter Ölzweige bewirkt.
Allgemein verbreitet ist auch die Meinung, daß das Alpdrücken bei Schlafenden
durch Menschen verursacht wird, welche infolge eines angeborenen Triebes genöthigt sind,
unbewußt nachts ruhelos umher zu irren und ihre Mitmenschen zu guäleu. Ein solches
Geschöpf heißt, je nachdem es ein Mann oder ein Weib ist, Vijedomac oder Vosca bei den
Slovenen, Chialchiut oder Mora bei den Friaulern und es gibt ein untrügliches Zeichen,
um bei der Geburt eines Kindes erkennen zu lassen, ob es dazu bestimmt ist. Um das Kind
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Das Küstenland, Band 10
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Das Küstenland
- Band
- 10
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1891
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.63 x 22.44 cm
- Seiten
- 390
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch