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und Mutter — das Himmelfahrtsfest Mariens. Dazu helfen ihm ja die maw pratika
der Bauernkalender und jetzt noch mehr der koleäar 6ru/l>e svete^a ^lokora, der
St. Hermagoraskalender. Er empfiehlt sein Haus dem Herrn, wenn beim Aubruch der
Nacht die Glocke zu Ehren des heiligen Florianns, des Schutzpatrons gegen Feners-
brünste, geläutet wird. Er geht jedes Jahr zur Christenlehre, wenn die Osterzeit heran-
naht, und den von seinem Seelsorger erhaltenen Beichtzettel gibt er ihm mit einem
Geschenk zurück.
Unser Mandriere ist übrigens ein genügsamer Mensch. Er beklagt sich nicht, wenn
auch sein Bett ein einfacher Strohsack ist — denn Federn kennt er nicht. Auch iu seiueu
Speisen ist er eben nicht wählerisch. Während der Woche ist er mit Ma , einer Fisolen-
snppe, mit Sauerkraut, mit etwas Kartoffeln oder mit Polenta zufrieden, denn sein
Kalender zeigt ihm als Normatage, an welchen er sich etwas Besseres anschaffen kann:
eine Taufe, eine Trauung, Weihnachten, Ostern, Frohnleichnam, Kirchweih und Martini.
Er ist uicht sehr gesprächig und nur selten flucht er. Thut er dies manchmal, dann
möchte man glauben, ein Gewitter oder der Hagel seien im Anzng begriffen. Allein das
geschieht nur in der Aufwallung des Zorns, während eines Streites oder wenn etwa
der Wein Herr des obersten Stockwerks in seinem Kopfe ist. Stolz auf seine Körperkräfte
beschränken sich dabei seine Produktionen höchstens auf eine Tracht von Prügeln — denn
Verbrechen werden von ihm nur äußerst selten begangen.
Abergläubisch wie er ist, schreibt er der Uora, das Alpdrücken zu und ist überzeugt
von der Existenz der eopernies, der Hexen, welche nach seiner Meinung in den vier
Qnatemberwochen zum Teufelstanz zusammenkommen und sogar Helfershelfer und
Gehilfinnen haben sollen. Diese letzteren üben mit jenen Hand in Hand den »slado, tiuäo
oko, den bösen Blick", wodurch sie Menschen, Thieren, Gärten und Feldfrüchten schaden
können. Als vermeintliches Gegenmittel trägt er daher etwas bei sich in Form eines
Amnlets. Oder er macht wenigstens, im Nothfall sogar versteckter Weise, das Zeichen
eines Hornes mit den Fingern von sich weg. Auch sollen ihm etwas Weihrauch oder etwas
Wachs der Osterkerze und des Ostertriangels nützen, während man in früheren Zeiten
eine besondere Wirkung der Einsegnung der behexten Person und der vvu ihr gebrauchten
Gegenstände von Seite alter Weiber zuschrieb.
Unterhaltungen kennt der echte Mandriere nur wenige. Bei ihm herrscht der, wie
I. Kantz in seinem Bnche cke ritu i^nis in natali saneti 5c>annis aeeensi (Wien 1759)
schreibt, auch bei den Deutschen übliche Gebrauch, am 23. Juni, am Vorabend des Festes
des heiligen Johannes des Täufers Freudenfeuer anzuzünden und darüber zu springen.
In den Vorstadtvierteln Rena nnova und Pegolotta ist ihm nun freilich diese Unterhaltung
wie auch das Auflassen der Luftballone polizeilich verboten.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Das Küstenland, Band 10
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Das Küstenland
- Band
- 10
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1891
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.63 x 22.44 cm
- Seiten
- 390
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch