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gebliebenen jungen Mandrieri, vielleicht die vom Dorfe Servola ausgenommen, sind die
wenigsten Landleute. Die meisten arbeiten in Trieft als Maurer, Steiumetze und Straßen-
pflasterer, sogar als Facchini; sie sind dem Trnnk und dem Spiel ergeben, während
nnd in unserer Stadt Blumenhändlerinnen sind oder uns als Wäscherinnen dienen
und Milch und Gemüse besorgen.
Volksleben in Istrien (mit Ausschluß der Slaven).
Die alten Jstrianer haben, wie wir in der Geschichte Jstriens vom Bischof Jakob
Philipp Tommasini (1645) lesen, viele Sagen uud Gebräuche gehabt, welche ihren
Ursprung aus Venedig herleiteten. Mit der Zeit haben sich dieselben wie die alterthümlichen
Gebräuche beinahe sämmtlich verloren. So gibt es bei den italienischen Bewohnern des
Landes keine volkstümlichen Gebräuche bei Tauseu und Hochzeiten mehr. Nur hier und da
werden die Brautleute vom Hause mit Musik abgeholt uud in die Kirche geleitet, wobei
die begleitenden Personen bei der Brautmesse bleiben. Dagegen pflegt Niemand die
Abgestorbenen der unteren Stände zum Grabe zu geleiten, nicht einmal Jemand aus der
nächsten Verwandtschaft. Man begnügt sich, der Familie einen Condolenzbesuch abzustatten
und bei den Todtenoffieien in der Kirche anwesend zu sein. Nur die Nachtwache, In vHa,
ist hier wie in Irland bei Personen niederen Standes üblich, wobei viel gespielt, gesungen,
gegessen und gezecht wird, so daß man glaube« möchte, eine Hochzeit finde im Hause statt
und nicht eine Heimsuchung durch den Sterbefall.
Reich entfaltet erscheint dagegen der Aberglaube uuserer Landleute. Weuu das
Feuer singt, se ru^uu ei koZv, so spuckt darauf die biedere Hausfrau uud ruft zornig aus:
„Hol' dich der Satan; heute werdeu wir einmal zur Abwechslung Zank und Wortwechsel
im Hause haben." Es fällt ihr während des Nähens die Schere auf die Spitze zu Bodeu:
uuu, so wird ein Bekannter, ein Freund oder ein fremder Bestich kommen. Ist sie mit dem
Kochen beschäftigt uud juckt sie die Handfläche, so schmunzelt sie, denn ihr Mann wird
ganz gewiß Geld nach Hause bringe«. Unterdessen verschüttet sie Salz oder, was noch ärger
ist, Öl auf deu Boden: o weh, das bedeutet Uuglück! Wer wird die Ursache sein? Morgens,
nnd insbesondere am Neujahrstag hat sie beim ersten Ausgehen aus dem Hause ein altes
Weib gesehen: da muß man sich ja hüten vor den Hexen, vor den Hexenmeistern, vor
dem bösen Blick — lauter Vorzeichen des „eenciut« oder des Alpdrückens. Sehr aus-
gebreitet ist auch die Meinung, daß Träume die Zukunft erschließen. Ihren Sinn und
ihre Bedeutung verstehen entweder alte Weiber, die oder die Tranmbücher, und
sollten diese uicht entsprechen, so nimmt man Zuflucht zum Karteuaufschlageu oder Karten-
legen, zum „butur le cni-te", dem beliebtesten Mittel vorzüglich bei unseren Mädchen
nnd Franen ans den niederen Volksschichten, nm den Schleikr der Znknnft zn lüften.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Das Küstenland, Band 10
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Das Küstenland
- Band
- 10
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1891
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.63 x 22.44 cm
- Seiten
- 390
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch