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Wo lassen wir aber die Männer? Gehört der Jstrianer dein Mittelstande an, so
besucht er wie seine deutschen Brüder das Kaffeehaus oder zur Abwechslung die osteria,
um in Gesellschaft von einigen Frennden eine Stunde mit italienischen Karten spielen zu
können. Während des lresette schweigen Alle, denn da gilt die Regel: „«I treselw xe sta
tut«, äs «luuUi'i» inuti, den tiesette haben vier Stumme ersundeu"; bei der driscolu kann
man reden, und da geht es manchmal buut zu. An den schönen Sonn- und Feiertagen
gcht er gewöhnlich des Nachmittags hinaus aufs Laud, um im Hofe irgend einer osteriu
sich mit den boeeie oder korelle, welche in ganz Italien uud in Tirol als „Watscherln"
bekannt sind, zu belustigen. Man wirft eine kleine hölzerne Kugel, ei dalin, in einiger
Entfernung, und zwei gegen zwei oder zwei, auch drei, gegen einen einzigen Spieler
suchen dieselbe mit größeren Holzkngeln, boeeis, boiolls, entweder weiter zu schleudern
.sdoeeiur«, oder im Wurfe sich ihr zu nähern ,evstar«. Wer mit seinen Kugeln dem
dulin am nächsten ist, hat gewonnen; dazu siud aber Sehkraft uud eiue gewisse gymnastische
Übung erforderlich.
In den Städten, welche Theater besitzen, belustigt sich unsere Jugend, wenn die
Gelegenheit sich darbietet, au deu Kuustreiteru mit ihren Pantomimen oder an den
Marionetten. Diese letzten steheil bei ihr in gesegnetem Andenken seit Neccardinis Zeiten,
welcher mit seinem ^rleeckinc» und k'ueanapu eiueu gewissen Ruhm sich erworben hat.
Während der schöueu Jahreszeit hat sie ihre papierenen Luftballons oder den fliegenden
Drachen, iu Trieft die Platzmusik. Unsere umli sind nämlich treue Uuterthaueu. Wer
möchte daran zweifeln? Sie bereiten sich schon frühzeitig und freiwillig zum Soldaten-
leben vor. Wenn an einem Freitag oder am Vorabend des Geburtstages Seiner Majestät
des Kaisers die Militärmusik auf unserem großen Platze spielt, können sie kaum den
Augenblick erwarten, bis sie über Via ckellu suiiitÄ, Lorso, Antonio und Vm
in die große Kaserne mit klingendem Spiele zurückkehrt. Vor uud hinter ihr
marschirt mit militärischem Schritt eine zahllose Menge muli, so daß man glauben sollte,
ein gestrenger Herr Corporal hätte sie dazu, wer weiß schon wie lange Zeit förmlich
abgerichtet.
In Trieft und in einigen Städten Jstriens ziehen Mädchen und Knaben mit kleinen
Laternen bei Abenddämmerung während der ganzen Octave des Epiphaniefestes hernm,
knien auf den Stiegeuhäuseru, siugeu eine Melodie zu Ehre» der heiligen drei Könige und
pochen daun au die Hausthüren, um ei» Geldgeschenk bittend. Das Lied zu dieser artigen
Bettelei erzählt, wie Christus arm geboren, arm lebte und am Kreuze starb. Der Schluß
ist aber nicht so höflich: den freundlichen Gebern wünschen sie, so viele Engel mögen sie
gen Himmel hinauftragen, als ein Sieb Löcher hat; den hartherzigen Geizigen dagegen,
so viel Teufel möge» sie holen, als Nägel an der Hausthür augeschlagen sind. Das klingt
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Das Küstenland, Band 10
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Das Küstenland
- Band
- 10
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1891
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.63 x 22.44 cm
- Seiten
- 390
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch