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auch die Lämmer und Truthühner Erstlinge sein müssen, die in alten Zeiten, wie uns die
Volkslieder erzähle», zur Zeit des Frühjahrs-Äqninoctinms dem Sonnengott geopfert
wurden. Nach der Weihe des Brodes und der Erstlinge versammeln sich alle Familien-
glieder zum Gebet uud bewirthen sich mit den gesegneten Speisen. Die Überbleibsel, wie
Knochen, Eierschalen, Brosamen wirft man ins Feuer, daß sie verbrennen, oder ins
Wasser, um es zu klären, oder aufs Krautfeld, daß es besser gedeihe.
Am Frohnleichnamstag (tielova) erscheint, die Hausfrau ausgenommen, Alles was
sich überhaupt auf den Füße» bewegen kann, zur Procession, geschmückt niit Blumen, die
Weiber mit Sträußchen von Blnmen uud Gräsern aller Arten. Vor dem Umzug streuen
sie kuieud und sich auf die Brust klopfend diese Sträußchen in der Kirche und vor derselben,
wo der Geistliche mit dem Sacramente gefolgt vom Volke sich bewegt, damit er auf sie
trete oder sie wenigstens berühre und dadurch segne. Sorgsam heben sie dieselben dann
auf, räuchern gelegentlich Kranke damit und streuen sie bei drohendem Nugewitter vor die
Hausthür. Das Gleiche geschieht mit den Olivenästen, die vom Segen am Palmsonntag
nach Hause gebracht wurden und deren einer gewöhnlich oberhalb des Ehebetts hängt.
Die letzten Jahresfeiertage sind das Johanuis- und das Peter- und Paulfest, die Zeit
des Sommer-Solstitiums, zu der die Sonne in der heidnischen Zeit am meisten gefeiert
wurde. Am Vorabend oder am Abend dieser Tage zündet jedes Dorf auf Hügeln ein
Freudenfeuer (kries) an, wofür die Knaben schon einige Wochen früher das Brenn-
material zusammentragen. Das Volk, besonders das jüngere, versammelt sich nm diese
Feuer, jauchzt, singt und springt über dieselben, wenn die Flammen sich etwas gelegt haben.
Betrachten wir uuu die Gewohnheit des einzelnen Menschen von der Wiege bis zum
Grabe. Wegen derÜbersicht wird uns dabei der Empfang der heiligen Sacramente am besten
leiten. Die Unfruchtbarkeit einer slavischen Frau iu Jstrien hätt man für eine Strafe
Gottes, ja es kann für sie kein größeres Übel geben, als kinderlos zu sein. Das letztere ist
auch selten der Fall. Fühlt sie die Geburtszeit herannahen, so geht sie in der Regel zur
Beichte und Eommnnion und betet zur Mutter Gottes für eiue glückliche Eutbiuduug.
Stellen sich die Geburtsweheu eiu, so legt sie sich ins Bett, welches, wenn es in der
Wohnstube steht, verhängt wird. Dorthin hat nun Niemand, selbst der Mann nicht, den
Zutritt, einzig und allein ein gesetzteres Dorfweib — oft keine geprüfte Hebamme, da
slavische Frauen solche nicht gerne sehen —, welches sie bedient. Ist das neugeborene Kind
ein Knabe, so freut sich darüber insbesondere der Mann; es wird so bald als möglich, anch
im Winter und im Regenwetter, in die oft weit entfernte Kirche vom Vater und Pathen
begleitet zur Taufe getragen. Der Pathe ist in der Regel ein Verwandter; ist dies nicht
der Fall, so wird eben dadurch geistige Verwandtschaft begründet, welche nach der Tanfe
ein zwischen dem Vater des Kindes und dem neuen Pathen gewechselter Kuß fürs ganze
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Das Küstenland, Band 10
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Das Küstenland
- Band
- 10
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1891
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.63 x 22.44 cm
- Seiten
- 390
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch