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besitze» die meisten Dörfer auch »och eine Kapelle irgendwo auf dem Felde, auf einem
Hügel oder am Meeresstrand. Unternimmt der Dalmatiner eine Land- oder Seereise,
dann pflegt er zuvor den Heiligen der Dorfkapelle um eine glückliche Reise anzuflehen.
Der verstorbenen Angehörige« pflegt mau sich selbst au den Tagen der größten Familien-
freude zu erinnern; für dieselben zündet man Wachskerzen oder Öllampen zu Hause uud
iu der Kirche an, für sie betet und läßt man Seelenmessen lesen. Weihwasser, Weihkerzen,
geweihte Ölzweige und Weihrauch hat man stets zu Hause zum Schutz gegen böse Geister
vorräthig. Die Priester werden uugemeiu hochgeachtet und „Augensterne Gottes" genannt.
Allgemein gesegnet wird jene Mutter, bereu Sohn sich den Priesterstand gewählt hat, und
allgemein wird dessen Familie geehrt: „Wo die Tonsur ist, dort gibt es kein Ach und
Weh (ssHe je kauka, nhe Mvka)".
Für die meiste» Dörfer Dalmatieus ist die Kirche uoch heutzutage die einzige Schule.
Vom Altar aus belehrt der Geistliche seiue Gemeinde über die Glaubenswahrheiten; vor
der Kirche oder unter einer schattigen Eiche leitet er sie zur Arbeit und Sparsamkeit an;
im Pfarrhause lehrt er sie lesen und schreiben, falls im Dorfe noch keine Schule besteht.
Wo demuach dem Volke der Zutritt zur Kirche erleichtert ist, wie dies iu Orten der Fall,
an denen die Häuser in Gruppen beisammen stehen, sind die religiös-sittlichen Vorstellungen
geläuterter als da, wo die Häuser zerstreut liegeu und sich daher das Volk an Sonn- und
Feiertagen nicht regelmäßig um seinen Pfarrer versammeln kann, um dessen Unterricht zu
genießen. In letzterem Falle findet man neben minder inniger Frömmigkeit auch Aber-
glauben in reicher Fülle, namentlich ist der Glaube an Vampyre (vukoälaei), Alpe (invrine),
Hexen und Vilen viel verbreitet.
Der Vampyr ist ein böser Geist, welcher des Nachts in Gestalt dieses oder jenes
unlängst verstorbenen Greises oder auch einer Greisin, die minder fromm gelebt hatten,
zum Schrecken der Menschen erscheint. Nur aus Menschenhaut, die mit Blut gefüllt ist,
bestehend, iu sein weißes Leichentuch gehüllt, zeigt er sich an Kreuzwegen und Brücken,
in Höhlen und an Friedhöfen, aber auch iu Häusern, wo er an Thürflügeln rüttelt, nach
Hafendeckeln greift und Töpfe versetzt. Man darf ihn nicht anrnfen; wenn er jedoch
dreimal ausholt, dann gilt dies als ein Zeichen, daß er ein guter Geist ist, das heißt eiue
Seele aus dem Fegefeuer, die um geistliche Hilfe fleht. Ein Mensch wird zum Vampyr
gewöhnlich durch Geburt oder Abstammung. Zum Schutz trage mau eiueu Dorustock mit
sich uud durchbohre damit den Vampyr, worauf er sofort verfchwiudeu wird. — Der Alp
(mvrina, morn) ist eine alte boshafte Jungfer, welche sich dem auf dem Rücken Schlafenden
auf die Brust setzt und ihn an Händen und Füßen packt, daß er sich nicht zu rühren vermag,
auch seinen Mund verstopft, daß er nicht um Hilfe schreien kann. Zur Abwehr der Mora
schlafe man ja nicht auf dem Rücken, sondern auf der rechten Seite uud halte neben dem Bett
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Dalmatien, Band 11
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Dalmatien
- Band
- 11
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1892
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.54 x 21.83 cm
- Seiten
- 370
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch