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einen offenen Flaschenkürbis versteckt, vor dem die Mora eine Heidenangst hat. Gelingt es
nämlich, sie zu erfassen, in den Kürbis zu stecken, diesen zu verstopfen und in einem Schrein
zu verwahren, dann wird man Morgens erkennen, wer der Alp gewesen ist: nämlich das
erste Weib, das einem des Morgens entgegenkommt. Die Mora erscheint meist aus Rache,
doch auch aus Liebe und drückt die ihr lieben oder verhaßten Barschen. Gewöhnlich trägt
sie einen weißen Rock und schwarzen Brustlatz und hat auf dem Kopf ein weißes Tuch
über dem aufgelösten Haar.
Hexen sind zumeist alte, boshafte, sitzen gebliebene Jungfern oder häßliche zahn-
lose Vetteln. Sie erscheinen nur iu der Absicht zu schädigen, zumeist bei schlechtem Wetter,
und halten ihre Versammlungen unter Nußbäumen oder auf gewissen Höhen ab. Um durch
die Luft fliegen zu können, schmieren sie sich mit einer nur ihnen bekannten Salbe ein.
Wer die Kunst erwerben will, Hexen zu erkennen, der begebe sich am Vorabend des
Johannistages auf einen Kreuzweg, halte sich ein Weberblatt unter das Kinn und schaue
zu den Wolken hinauf. Hat er eine erkannt, so darf er dieselbe nicht verrathen, da er sonst
von ihr erwürgt würde. Der Priester vermag alle Hexen, die in der Kirche sind, zu
erkennen, wenn er während der Messe bei den Worten ,Oate, trutres' vom Altar aus
Umschau hält.
Vileu siud Mädchen mit Pferdehufen; sie halten sich in Höhlen auf und versammeln
sich in Wäldern, am Ursprung eines Flusses oder an Quellen. In der nächsten Umgegend
von Spalato erzählt man sich, daß gleich nach der Geburt eines Mädchens die Vila ins
Hans konlme, um es zu besichtigen; findet sie es schön uud lieblich, dann trägt sie es mit
sich fort. Daher pflegt man dort ein solches Kind keinen Augenblick bei der Mutter allein
zu lassen und wendet bis zur Taufe das Auge nicht von ihm ab, damit es nicht von
Vilen fortgetragen werde. Die Vilen beschäftigen sich mit Stricken, Spinnen, Gold- und
Silberstickerei uud besitzen die Macht, Steine und Kohlen in Gold und Silber zu ver-
wandeln. Vor Gewehren und Glocken hegen sie Furcht. Ihre Worte darf man nicht
verrathen, da mau sonst übel fahren würde. In Vilen wurden sie vor Zeiten von einem Papst
verwünscht; übrigens ist eine geraume Zeit vergangen, seit sie sich nicht mehr blicken
lassen. Indessen sind die Vilen den Menschen auch wohlgesinnt, zumal dauu, wenn sich
dieselben durch Tapferkeit oder eine andere Tugend auszeichnen, z. B. den Dichtern uud
Künstlern; den Frauen aber sind sie namentlich dann geneigt, wenn dieselben Schönheit
besitzen, auf schöueu Gesang, schöne Stickereien n. s. w. sich verstehen. Bisweilen fällt es
den Vilen ein, eine Manns- oder Weibsperson zn necken, besonders wen» dieselbe etwa in
Liebe, Gesang n. s. w. eine ihnen gefällige Eigenschaft zwar besitzt, aber entweder nicht
den Willen oder den Verstand hat, dieselbe zur Schau zu tragen; boshaft sind jedoch die
Vilen nie. Daher kommt es denn, daß das übliche Attribut der Vila (die weiße)
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Dalmatien, Band 11
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Dalmatien
- Band
- 11
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1892
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.54 x 21.83 cm
- Seiten
- 370
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch