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rührender Weise die Vorzüge des Verstorbenen auf. Eine Schwester z. B. klagt um ihren
Bruder folgendermaßen:
Wehe Niko, wehe theurer Bruder!
Wehe, Du mein Herz, aus mir gerissen!
Mein Gefieder Tu und laut res Gold mir!
Stickt' ich Deinen Namen in den Ärmel,
Würd' der Ärmel langsam ganz zerreißen
Und Dein Name würde ganz verschwinden;
Setzte ich als Schmuck Dich in ein Lied ein, Würd' das Lied von Mund' zu Munde wandeln.
Fallen auch in einen Mund voll Unslath;
Schriebe ich von Dir ein Büchlein nieder.
Gehen würd' von Hand zu Hand das Büchlein
Und gelangen in unliebe Hände.
Weh' thut, Bruder, weh' mir das Gedenken,
Weh' thut, Bruder, wehe thut das Seufzen!
In Castelli dingen die Freunde des Verstorbenen ein Klageweib (narikaea). Bis-
weilen finden sich auch mehrere solche Klageweiber ein. Jede von ihnen erzählt zunächst,
wer sie hergeschickt habe; darauf hebt sie den Verstorbenen zu loben an und schließt endlich
mit einem Gruß an alle Todten aus der Familie dessen, der sie abgesandt hat. Dieses
Wehklagen seitens der Verwandten und der Klageweiber begleitet den Todten bis ans
Grab, an welchem man auf den Sarg eine Handvoll Erde wirft mit dem Zuruf: „Sie
möge Dir leicht sein!" An einigen Orten veranstaltet am Abend des Begräbnißtages die
Familie des Verstorbenen ein Abendmahl, das bald vaea, bald ?c>6u^e heißt und zu
welchem die ganze Verwandtschaft Zutritt hat. Im Kreis von Zara pflegt jedoch, wenn
die Familie des Verstorbenen wohlhabend ist, jeder Hungrige im Dorf zu diesem Abend-
mahl zu kommen, wo er reichlich Speise und Trank erhält. Zu dem Abendmahl wird
auch der Pfarrer eingeladen, welcher im Fall seines Erscheinens für den Verstorbenen die
Todteuvesper betet. Geschickte Priester ergreifen die Gelegenheit, um Leute mit einander
zu versöhnen, die vielleicht lange Jahre verfeindet waren. Bei dem Abendmahl, bei
welchem meist nur wenig gesprochen wird, hört man auch blos einen einzigen Trinkspruch:
„Auf deine Gesundheit, N., zum Frieden der Seele unseres Bruders (unserer Schwester),
welche heute dieses Haus auf ewig verlassen hat!" Die Anderen antworten: „Gott sei ihr
gnädig!" In Poljice und vielen anderen Orten des Küstenlandes kommen Verwandte und
Freunde auf die Sedmine oder Krmine, wo man bei einem Abendmahl abermals gemeinsam
für den Verstorbenen betet.
Zum Zeichen der Trauer nach dem Verstorbenen trägt die ganze Familie und nächste
Verwandtschaft desselben ein schwarzes Gewand, Xorut, und zwar gewöhnlich ein Jahr
laug. Die Männer tragen ihre Mützen und Koporanen (Art Jacke), die Weiber aber
alle ihre Kleider umgewendet. In Bukovica gehen die Orthodoxen während der Trauerzeit
barhaupt einher. Auch darf während des ganzen Trauerjahrs kein Mitglied von der
Familie oder Verwandtschaft des Verstorbenen im Kolo mittanzen oder mitsingen, noch
auch an irgend einer anderen öffentlichen Unterhaltung theilnehmen.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Dalmatien, Band 11
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Dalmatien
- Band
- 11
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1892
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.54 x 21.83 cm
- Seiten
- 370
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch