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Einwanderern, die sich als Handwerker oder Krämer niedergelassen haben, theils aus
einigen albanesischen und montenegrinischen Familien, zu welchen eine nicht geringe Anzahl
von Landleuten aus den Bocche selbst hinzukommt, welche entweder ihr Handwerk oder
der Handel auf die Stadt gewiesen hat. Außerdem wird man zumindest je eine Familie
aus den verschiedenen Städten Dalmatiens, ja sogar aus vielen anderen Städten der
Monarchie antreffen, zumeist ausgediente Unteroffiziere, die in Cattaro geheiratet und
ihren Wohnsitz aufgeschlagen haben. Wer wäre da im Stande, diese merkwürdige Stadt
genau zu charakterisiren, in welcher so viele Sprachen gesprochen werden und jeder
einzelne Einwohner irgend einen Zug der Gebräuche seines eigenen Volkes beibehalten
hat? Heutzutage spricht mau in der Stadt vorwiegend kroatisch, indem seit der Einführung
dieser Sprache als Unterrichtssprache in allen städtischen Schulen das Italienische in
allmäligem Dahinschwinden begriffen ist; gleichwohl kann man noch in der italienischen
Sprache sowohl reden als Volkslieder singen hören, und zwar in einer dem Venetianischen
ähnlichen Mundart, welche eine ganz merkwürdige Accentnirnng aufweist.
Daß als charakteristische Volkseigenthümlichkeiten Kriegslust und Frömmigkeit,
sowie Festhalten am gegebenen Wort in der Bevölkerung der Bocche tiefe Wurzeln
gefaßt und das ganze Volksleben durchsetzt haben, — diese Erscheinung mich den ganz
außerordentlichen Umständen zugeschrieben werden, unter welchen das Volk lange Zeit
hindurch zu leben genöthigt war.
In den Bocche ist kaum ein Drittel der Oberfläche fruchtbarer Boden, während aus
die anderen zwei Drittel nur nacktes und steiniges Gebirge entfällt. Auf diesem ein-
geschränkten Raume nun lebte bis ans Ende des vorigen Jahrhunderts eine Bevölkerung
von über 40.000 Seelen, die natürlich die für ihren Unterhalt nothwendigen Mittel in der
Heimat zu finden außer Stande war. Dadurch ward sie gezwungen, mit jenem Elemente
in Berührung zu treten, welches ihr das vom Boden Verweigerte ersetzen konnte, jedem
Bocchesen von seiner Kindheit her stets vor Augen lag und unter die ersten Wahr-
nehmungen gehört, die seine Seele gemacht hat — nämlich mit dem Meere.
Sobald der Bocchesenknabe auf den Füßen zu stehen vermag, sieht man ihn bereits
am Ufer kleine, mit Segeln versehene, von ihm selbst verfertigte Fahrzeuge ins Meer
einlassen, seine liebste, fast ausschließliche Unterhaltung. Wenn der Wind die Segel schwellt
und sein Schifflein die kleinen Wellen zu durchschneiden beginnt, da erfüllt die Seele des
Knaben Freude und Sehnsucht nach jener Zeit, wo er mit dem Vater übers blaue Meer in
die große Welt fortsegeln wird. Indeß „das Meer ist ein treulos Feld", ist ein Bocchefen-
fprichwort, wer es daher befahren will, dem muß ein muthiges Herz iu der Brust schlage».
Des Seemanns harren furchtbare Stürme, mit welchen er harte Sträuße zu bestehen hat;
fie stählen sein Herz und machen ihm die Furcht vor Gesahreu fremd. Aber nicht mit den
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Dalmatien, Band 11
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Dalmatien
- Band
- 11
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1892
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.54 x 21.83 cm
- Seiten
- 370
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch