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besteigt er das Schifflein, stößt es vom Strande ab, hißt die Segel auf und zur bloßen
Unterhaltung trotzt er dem Wind und dem Sturm. Judeß beginnt ihn diese Unterhaltung
bald zu verdrießen, da ja die ernsten Kämpfe ausbleiben, an die er von Jugend an gewohnt
war, da die wüthendsten Stürme in der Bucht nur kleine Wellen werfen im Vergleich mit
jenen Wasserbergen, die er einst im endlosen Ocean sah. Auch seine Kampflust findet bald
nicht mehr daran Genüge, daß er bei Meeresstille von seinem Schifflein aus mit dem
Dreizack den ahnungslosen Fisch verfolgt. Noch ist kein Jahr verflossen nnd er gibt sich
bereits ganz der Unthätigkeit hin. Dann kann man ihn täglich früh und spät vor feiuem
Haus am Meeresstrand sitzen sehen, wie er aus langer Pfeife schmaucht, den Blick anss
Meer richtet und nur bisweilen nach alter Gewohnheit zn den Wolken hinaufblickt, um
das Wetter des folgenden Tages zu erkunden.
Wo der Reichthum plötzlich geschwunden ist, wo die Bevölkerung vvn Tag zu Tag
tiefer sinkt und kein Handel vorhanden ist, da ist es auch für den Handwerker schwer,
Arbeit zu finden. Der Bocchese widmet sich überhaupt eiuem Haudwerk nur ungern, außer
wenn er das Meer nicht vertrügt. Auch früher, wo die Bocchefeu noch recht wohlhabend
waren, griffen nur selten Einheimische zum Handwerk. Das Geld, welches Handel nnd
Seefahrt eintrugen, wurde nicht nutzbringend angelegt, sondern zumeist auf kostbare
Waffen, theuere Nationaleostüme, einen großen Vorrath von Zinngefäßen, namentlich
jedoch auf Bauteu verwendet. Jeder einfache Matrose baute sich, sobald er ein Sümmchen
erübrigt hatte, ein bequemes Wohnhaus, nnd hatte ein Seekapitän ein paar tausend
Gulden erspart, so begauu er sofort, falls er nicht etwa ein Haus von seinen Vorfahren
ererbt hatte, ein solches mit Hos und Lustgarten am schon geregelten Strande herzustellen,
wo er wohl auch einen kleinen Hafen für sein Schifflein anlegte, ohne sonst irgendwie
sür die Zukunft seiner Kinder zu sorgen. Denn seiner persönlichen Berechnung nach war
diese durch die Übergabe des Schiffes an den Sohn schon gesichert. Einst wurden, um
sich vor plötzlichen Corsarenüberfällen zu schützen, sast alle Dörfer und Marktfleckeu etwas
weiter vom Meeresstrand entfernt angelegt; sobald aber dieser Grund wegfiel, beeilte sich
jeder Hausherr, hinunter nach dem Meeresstrand zu übersiedeln. Daher kommt es, daß
man heutzutage in den Bocche so viele gleichnamige Dörfer findet, z. B. Ober- und Unter-
Stolivo, Ober- und Unter-Lastna n. s. w. Die Ausführung so zahlreicher Bauten lockte
viele Handwerker aus Albanien und Italien an, da die Bocche selbst arm daran waren.
Nur betreffs des Maurerhandwerkes macht das Dorf Mokrine eine Ausnahme, welches
damals wie jetzt uoch tüchtige Maurer aufzuweisen hatte. Gewöhnlicheres Baugestein wurde
in der Bocche selbst gewonnen, feineres aber von Cnrzola importirt. Vortreffliche Ziegel
werden noch heute in der Gemeinde Krtole, sehr guter Kalk in Lnstica gebrannt. Alle
übrigen Banmaterialien jedoch mußten von auswärts zugeführt werden. Fremdlinge
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Dalmatien, Band 11
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Dalmatien
- Band
- 11
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1892
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.54 x 21.83 cm
- Seiten
- 370
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch