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Grenzen des ganzen Dorfes begehen. Die letzteren sind häufig sehr umfangreich, da die
Bocchesendörfer sehr zerstreut liegen und in den Dorfumfang außer dem bebauten Acker-
auch der Steinboden, sowie Gesträuche und Wald miteinbezogen werden. Hat eines Jahres
die Procession die Marklinie eines fremden Dorfes überschritten, sei es zum Trotz oder
weil die Abgrenzung zweifelhaft ist, so wird sie sicherlich im darauffolgenden Jahre an
derselben Stelle das Nachbardorf unter Waffen antreffen. Entschließt sie sich nun, auch in
diesem Jahre die Grenze zu überschreiten, so kommt es zwischen den beiden Dörfern zum
Blutvergießen. Seit der Einführung der Katastralbücher haben jedoch diese Ruhestörungen
aufgehört.
Jede Bocchefeufamilie, mag sie dem einen oder dem anderen Glaubensbekenntniß
angehören, feiert ihr .krswo ime", ihren Kreuznamen, das heißt irgend einen Heiligen als
ihren besonderen Familien-Schutzpatron. Jeder Stamm oder Bruderschaft (bratstvo) feiert
denselben Kreuznamen, da man im Allgemeinen dafür hält, daß ursprünglich jede Familie,
aus welcher sich im Laufe der Zeiten die Bruderschaften oder Stämme entwickelten, ja oft
ganze Dörfer zu ihrem Schutzpatron jenen Heiligen auserwählt haben, dessen Namen dem
Familienältesten bei der Taufe beigelegt worden war, und zwar schon zur Zeit, als das
Volk vom Heidenthnm zum Christenthum übertrat. Verschiedene Dörfer haben verschiedene
Gebräuche anläßlich dieser Privatfeier, der bedeutendste Unterschied jedoch besteht in der
Rolle, welche das weibliche Geschlecht während des Mahles zu spielen hat. In jenen
Gegenden, wo das Weib noch so gering geachtet wird, daß ihr Mann eine angesehene
Gesellschaft, ehe er seiner Ehegattin Erwähnung thut, um Entschuldigung bittet, dürfen sich
die Frauen während des Gastmahles nicht an die Seite der Männer setzen, sondern erst
nachdem sich letztere gütlich gethan, und zwar gilt dies nicht blos von der Hausfrau, sondern
auch von den geladenen Weibern. Anderswo herrscht die Sitte, daß sich der Hausherr und
die Hausfrau nicht zu Tische setzen, sondern an der Spitze desselben aufrecht stehend ver-
bleiben, bis man den ersten Trinkspruch dargebracht hat, der gemeiniglich der „Trinkspruch
zur Ehre Gottes" genannt wird. Im Küstenstrich, wo die Cultur bereits ihren Einzng
gehalten hat, ist diese Hausfeierlichkeit viel einfacher. Am Vorabend gibt es ein frugales
Abendmahl, am Tag des Heiligen ein bürgerliches Mittagmahl. Vor dem Abendmahl
sowohl wie vor dem Mittagmahl schneidet der Hausherr von dem »ki-stiii svmun- dem
Kreuzlaib (einem großen runden Brodlaib, der iu der Mitte ein aus gleichem Brot geformtes
Kreuz trägt) ein Stück ab und steckt in dasselbe eine Wachskerze, welche er zuvor mit einem
Holzscheit vom Herde angezündet hat. Alle beten darauf für ihre Todten, bekreuzen sich
und setzen sich zn Tisch. Nach Schluß des Gastmahls erhebt sich der Hausherr mit einem
Glas Wein, tunkt in den Wein ein Stückchen Brot ein und mit der traditionellen Formel:
„Ich Dir Brot und Wein — Du mir Gesundheit und Freude", löscht er mit dem in den
Küstenland und Dalmaticn. IS
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Dalmatien, Band 11
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Dalmatien
- Band
- 11
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1892
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.54 x 21.83 cm
- Seiten
- 370
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch