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Verwandte des Ermordeten, etwa sein Vater, Oheim oder Bruder. Etwas ferner kniete auf
dem Boden der Mörder selbst, entgürtet und barhaupt; das Gewehr, mit welchem er das
Verbrechen begangen, ward ihm um den Hals gehängt. Zuerst erhielt der Kläger das Wort.
Er legte der Reihe nach den ganzen Hergang dar, bezeichnete den Schaden, welcher der
Familie des Ermordeten durch das Verbrechen erwuchs, und forderte die Richter auf, nach
dem Gewohnheitsrechte den Verbrecher zu bestrafen und zum Ersatz des angerichteten
Schadens zu verurtheileu. Daraus erhielt der Angeklagte zur Rechtfertigung das Wort
oder fing vielmehr dreimal mit lauter Stimme zu bitten an, man möge ihm sein Verbrechen
um Gottes und des heiligen Johannes willen verzeihen. Da trat der Kläger zu ihm, nahm
ihn, das um den Hals gehängte Gewehr ab, umarmte und küßte ihn auf die Stirne mit
den Worten, daß er ihm um Gottes willen Alles verzeihe. Waren noch andere Verwandte
des Gemordeten zugegen, so umarmten und küßten auch sie den Mörder. Daraufhin
entfernte sich der Geklagte wie der Kläger; die Richter verhandelten die Sache unter sich,
ließen das Urtheil niederschreiben und unterfertigten es. Sobald Alles fertiggestellt war,
riefen sie die Parteien vor sich und lasen das Urtheil vor. Der Schuldige wurde gewöhnlich
vernrtheilt, eine Geldsumme an die beschädigte Familie zu zahlen. War die Familie des
Ermordeten dessen bedürftig, so nahm sie das Geld an, sonst wurde es zu wohlthätigen
Zwecken verwendet. Am Schluß stand man einander zn Gevatter bezüglich der mitgebrachten
Kinder; waren diese bereits getauft, so wurden sie nur geschoren. Geschlossen wurde das
Gericht mit einem gemeinsamen Mahle auf Kosten des Schuldigen.
Die Kampfeslust des Volkes tritt bei der Geburt eines Kindes zu Tage. Es ist
natürlich, daß ein Heldenvolk Freude empfindet, wenn ihm junge Helden geboren werden.
Kommt ein Knabe zur Welt, so gibt der Vater von der Hausschwelle einen Schuß ab, um
dem ganzen Dorfe die frohe Nachricht zu verkünden. Wird hingegen ein Mädchen geboren,
so ist die ganze Familie betrübt, nach dem Sprichwort: „Kommt ein männlich Kind zur
Welt, muß man rufen: Gott sei Dank; wird ein weibliches geboren, muß man sprechen:
Dank sei Gott!" — eine Umstellung der Worte, die im ersten Fall als ein Ausbruch der
Dankbarkeit, im zweiten als ein Ausdruck der Resignation gelten soll.
Auch die Hochzeitsbräuche, die jedoch am Meere im allmäligeu Aussterben begriffen
sind, beseelte einst ein kriegerischer Geist; die Hochzeitsgäste glichen Helden, die in den
Kampf ziehen. Es war dies indeß nicht blos ein Ausfluß reckenhafter Gesinnung, sondern
auch ein Gebot der Nothwendigkeit. Denn diese Gelegenheit wurde häufig zum Mädchen-
raub, sowie zur Ausführung feindlicher Anschläge benutzt. Häufig kam es in solchen Fällen
zum Blutvergießen und wurde die Braut aus der Mitte der Hochzeitsgäste zu nicht geringer
Schmach der letzteren entführt. Es geschah dies um so häufiger, als bei der Verlobung die
jungen Leute von den Eltern nicht einmal um ihren Willen befragt wurden. Der Vater
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Dalmatien, Band 11
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Dalmatien
- Band
- 11
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1892
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.54 x 21.83 cm
- Seiten
- 370
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch