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pflegte oem Sohne ein Weib zu wählen; häufig sah das Mädchen ihren Bräutigam zum
erstenmal vor dem Altar, in einem Augenblick, wo sie ihm lebenslängliche Liebe und
Treue geloben sollte.
Wenige Fälle ausgenommen, wird im Küstenstrich heutzutage die Hochzeit auf
einfache Art gefeiert, ähnlich wie in den Städten; auch die Nationaltracht der Braut ist,
die Dörfer ausgenommen, mit der Tracht der Städterinnen vertauscht worden. Am spätesten
ging diese Änderung der Kleidertracht in Dobrota vor sich, wo vor dreißig Jahren der
letzte Fall vorkam, daß die Braut im Nationalcostüm zur Trauung ging. Durch geschmack-
vollen Schnitt, lebhafte Farben und reichen Goldschmuck ausgezeichnet, zählt diese Tracht
gleich jener der schönen Bäuerinnen von Teodo zu den interessantesten der ganzen
Monarchie. Stellt die Männer- und Weibertracht von Dobrota die echte Civiltracht der
alten Insassen der Bocche dar, so vergegenwärtigt uns jene von Teodo die Tracht des
alten Bauernstandes.
Die auf den Tod und das Begräbuiß bezüglichen rohen Bräuche hat im Küstenstrich
die Cultur fast gänzlich verdrängt, doch finden sie sich noch bei Gebirgsbewohnern, so z. B.
die geräuschvollen Todteuklagen, die Todtenmahle, die blutige Verunstaltung des Antlitzes,
das Zerraufen des Haares n. s. w. An den alten, durch die Gewohnheit überlieferten
Vorschriften für die Trauerzeit hält jedoch auch das Volk im Küstenstrich noch zähe fest.
Man kann auch heutzutage noch die Thüren und Fenster der Häuser, wo der Hausherr
mit Tod abgegangen ist, schwarz angestrichen sehen, und monatelang bleiben die Fenster
verschlossen. Manche Witwe geht noch heutzutage, falls sie nicht wieder heiratet, bis zu
ihrem Tode schwarz gekleidet; doch geschieht es nicht mehr, daß sie ein ganzes Jahr in
ihrem Zimmer eingeschlossen bliebe und mehrere Jahre hindurch nicht in der Kirche erschiene.
In den Dörfern sind bei solchen Anlässen die interessanten und poetischen Todtenklagen in
Brauch, welche über den Gemal, Bruder oder Sohn von der Gattin, beziehungsweise
Schwester oder Mutter in einer traurigen Melodie gesungen werden. Diese Volkslieder
enthalten in Versen eine ganze Biographie des Verstorbenen und sind so geschickt gemacht,
daß einige Nachahmungen als classische Vorbilder dieser Dichtungsart in der Literatur
Aufnahme fanden.
Bis vor etwa zwanzig Jahren bestand in manchen Gebirgsdörfern der Brauch, daß
die verlobte Jungfrau einige Tage vor der Hochzeit sich morgens an einen einsamen Ort
außerhalb ihres Dorfes begab und sich dort im Singen der Todtenklagen übte, um auch
dieser Sache kundig zu sein, falls sie etwa Witwe würde.
Sobald der Verstorbene begraben ist, trinkt das Volk Branntwein auf die Gesundheit
der Überlebenden; die Bekenner des griechisch-orientalischen Glaubens essen daneben auch
das sogenannte Xoljiv», Weizen mit Honig gekocht. In Spizza pflegt man das Tischtuch
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Dalmatien, Band 11
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Dalmatien
- Band
- 11
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1892
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.54 x 21.83 cm
- Seiten
- 370
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch