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Mit einem Hinweis auf die historischen Schriften und auf die Reden, welche, im
Dienst der Diplomatie gehalten, nach künstlerischer Tarstellung streben, verlassen wir
das lateinische Schristthnm, um uns zu den zwei im Lande geredeten Sprachen — der
slavischen und der italienischen — zu wenden.
Die Schicksale der slavischen Literatur werden im folgenden Abschnitt eingehende
Darstellung finden, aber auch an dieser Stelle, wo es gilt, den Einwirkungen der
italienischen Cultur unabhängig von der äußeren Form nachzugehen, muß einer in literar-
historischer Hinsicht überaus bemerkenswerthen Erscheinung gedacht werden. Mehr als
zwei Jahrhunderte hindurch — von der Mitte des XV. bis zur Mitte des XVII. —
blühte eine poetische Literatur in slavischer Sprache, welche, ohne Anknüpfung an
Vorhergegangenes, iu Bezug auf Stoffe und Behandluugsweife italienischen Vorbildern
folgte. Daß es sich da zunächst um eine konventionelle, mit dem Volksleben in keiner
unmittelbaren Fühlung stehende Prodnction handelt, ist allerdings zuzugeben; dies war
indessen das Schicksal der Literatur der meisten Völker in dieser Zeit, vornehmlich des-
jenigen, das hier am meisten in Betracht kommt, des italienischen. Solche Ableger der
Dichtung Italiens bilden dennoch einen schätzbaren Vorzug der Slaven Dalmatieus gegen-
über ihren Stammesbrüdern anderer Gegenden, nmsvmehr als trotz der Anlehnung an
ein Element, das wir weniger ein fremdes als ein andersprachliches und nicht volks-
tümliches nennen möchten, doch manche nnd zwar gerade die besseren Schriftsteller
mannigfache Momente aus dem Leben des Volkes und seiner Geschichte zu verwerthen
wußte». Es treten uus da alle Abstufungen in der Benutzung lateinischer und italienischer
Muster entgegen, von der genauen Wiedergabe bis znr freien Reproduktion, vou bloßer
Auempfiudung bis zur Durchsättigung mit eigene» Gefühlen und Gedanken.
Auch i» anderer Weise geben sich die Wechselbeziehungen zwischen den zwei
Volksstämmen und den zwei Sprachen kund. Der literarischen Thätigkeit der Dalmatiner
haftet nämlich als besonderes Merkmal der stete Zusammenhang mit der Heimat au.
Selbst weun man von den historischen uud archäologischen Arbeiten absieht, bei welchen
sich dies leichter versteht, nimmt man ein unablässiges Bestreben wahr, die Sitten und
Gebräuche des Landes zu schildern und dem Leben des Volkes den Stoff zu künstlerischer
Darstellung zu entlehnen. Da nnn der größere Theil des Volkes slavisch ist, so ergibt sich,
daß viele der italienisch Schreibenden in Verständniß- und liebevoller Fühlung mit dem
slavischen Volke stehen. Viele stecken sich das Ziel, Italien — und dadurch die übrige
Welt — mit Sang und Sage desselben bekannt zu machen, nicht wenige unter ihnen
bedienen sich des Slavischen mit gleicher Meisterschaft wie ihrer Muttersprache.
Da mm, wie aus dem bisher Gesagten zur Genüge erhellt, bei vielen Schriftstellern
Dalmatiens drei Enltnrelemente in so enger Verbindung auftreten, daß es weder leicht
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Dalmatien, Band 11
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Dalmatien
- Band
- 11
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1892
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.54 x 21.83 cm
- Seiten
- 370
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch