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noch überhaupt ersprießlich ist, eine Scheidung zu treffen, so würde es sich empfehlen,
alle geistige Arbeit des Landes ohne Unterschied der Sprache zu einem Gesammtbilde zu
vereinigen. Eine solche Darstellung böte zugleich den großen Vortheil, das einträchtige
Zusammenwirken aller Bewohner desselben Landes, wie es stets bestand, zu ver-
anschaulichen; nur im Interesse der Arbeitstheilnng findet in nnserem Werke gesonderte
Besprechung statt. An welcher der zwei Stellen der wissenschaftlichen Werke Erwähnung
geschieht, ist au sich gleichgiltig. Es handelt sich eben um die Bestrebungen von Männern,
welche, ohne an ethnographische Scheidungen zu denken, lediglich das Wohl der gemein-
schaftlichen Heimat, noch mehr jenes der Menschheit im Auge hatten. Taß sie in den
früheren Jahrhunderten von den drei Sprachen, die ihnen zu Gebote standen, zunächst die
lateinische wählten, hängt mit den Gewohnheiten theils ihrer Zeit, theils ihres Berufes,
des geistlichen, zusammen. Als später der Gebrauch lebender Idiome immer mehr zur
Geltung kam, bot sich naturgemäß in erster Linie das Italienische, während das im übrigen
Europa unbekannte, zur Behandlung wissenschaftlicher Gegenstände noch nicht vollkommen
geeignete Slavische der poetischen Prodnetion und den für das Volk berechneten religiösen
Schriften vorbehalten blieb.
Von einer Betheiligung Dalmatieus an der italienischen Literatur des XIII. bis
XIV. Jahrhunderts ist nns keine Nachricht erhalten, auch kaun davon wohl kaum die
Rede seiu. Die höfische Lyrik des XIII. Jahrhunderts entwickelte sich nnr nnter besonders
günstigen Umständen, die hier gänzlich fehlten, und im XIV. war fast die gefammte
literarische Bewegung ans Toscana beschränkt, so daß im übrigen Italien uns nnr
entweder vereinzelte, von toscanischen Vorbildern abhängige Versuche oder mundartliche
Schriften entgegentreten, welche — dem Volke einer bestimmten Region sich zuwendend —
beinahe ausschließlich religiöse uud didaetische Stoffe behaudelu. Selbst dies findet nnr
in Gegenden statt, in welchen die Verhältnisse der Entfaltung eines gewissen literarischen
Lebens förderlich waren. Weun unn während dieser Zeit sogar innerhalb Italiens große
Landstriche nichts aufzuweisen haben — sei es, nun weil nichts prodncirt wnrde oder weil
sich nichts rettete —, so versteht es sich leicht, daß Dalmatien nicht besser bedacht ist. Auf
Eines aber ist aufmerksam zu machen. Völlig stumm auf dem Gebiete der nach Knnstform
strebenden Rede ist kein Volk; das rhythmisch bewegte Wort findet sich überall zum
Ausdruck der Liebe, der weisen Lehre, des Spottes ein, nur bildet diese, durch mündliche
Tradition sich forterbende, immer sich erneuernde Productiou keine Literatur. Dies war
wohl auch in Dalmatien der Fall, wo in gleicher Art und zu gleicher Zeit wie in alle»
von den Römern besetzten Ländern sich aus dem Vulgärlatein ein romanisches Idiom
entwickelte. Welche Gestalt dieses Idiom vor der venetianischen Infiltration hatte, welche
Spuren seiner ursprünglichen Eigenart einerseits in den uns erhaltenen Denkmälern
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Dalmatien, Band 11
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Dalmatien
- Band
- 11
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1892
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.54 x 21.83 cm
- Seiten
- 370
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch