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Unter den dalmatinischen Städten genoß aber Ragusa die größte politische Freiheit
und stand sowohl im Handel als in der Cultur allen anderen Städten des Landes
voran. Ragusa wurde schou früh ein Bindeglied zwischen der griechischen und römischen
Welt, und zwar nicht nur in Bezug auf den ausgebreiteten Handel, sondern auch iu
geistiger Hinsicht. Bereits um die Mitte des XIV. Jahrhunderts stand es an Bildnng bei
weitem höher als die östlichen slavischen Brüder, von denen es daher als eine Stätte der
Wissenschaft und Bildung verehrt war, so daß serbische Zareil es uicht verschmähten,
vornehme Jünglinge zur Ausbildung dahin zu senden. Erfreute es sich damals zunächst nur
einer relativ höhereu Cultur, so ist als Ausgangspunkt umfassenderer Bildung in Ragusa
sowie im übrigen Dalmatien das Ende des XV. und der Anfang des XVI. Jahrhunderts
zu betrachten, die Zeit nämlich, in welche das sogenannte Wiedererwachen der Wissenschaften
in Italien fällt, die Zeit der Renaissance, welche in der Literatur das Wiederaufleben des
Clafficismus und die Pflege und Entwicklung der nationalen Sprache zum Ziele hatte.
Denn artete auch das Streben nach dem Clafficismus mehrfach in eine übermäßige Pflege
der lateinischen Sprache aus, welche die italienische aus der Literatur ganz zu verdrängen
drohte, so dauerte das doch nicht lange und die italienische Sprache begann immer festeren
Fuß zu fassen, bis im XVI. Jahrhundert die Blütezeit der italienischen Poesie eintrat. Die
lateinische Sprache wurde nunmehr auf wissenschaftliche Werke beschränkt. Diese literarischen
und wissenschaftlichen Bewegungen Italiens konnten auch auf das nahe dalmatinische
Küstenland nicht ohne Einfluß bleiben. Auch hier schrieb mau anfangs nur lateinisch,
doch bald wurde neben der lateinischen und italienischen Sprache nach dem Beispiel
Italiens auch die Volkssprache — das Serbischkroatische — eingeführt. Seit dem Ende
des XV. Jahrhunderts entstand nun in dieser Sprache eine bedeutende poetische Literatur
in Dalmatien, welche nmsomehr zu schätzen ist, als zu dieser Zeit in den übrigen von den
Serbokroaten bewohnten Ländern, die unter dem schweren türkischen Joch seufzten, jedes
Licht der Cultur erloschen war.
Da die meisten dalmatinischen Schriftsteller ihre Bildung in Italien holten, wo sie
italienische Literatur und Poesie kennen und lieben lernten, und da sie meist selbst italienische
Literaten waren, so kann es nicht Wunder nehmen, daß sie sich die italienische Literatur
zum Vorbild nahmen, als sie in ihrer eigenen Sprache zu schreiben anfingen. Bei alledem
war dieser Einfluß nie so stark, daß man darüber etwa den nationalen Boden verlor;
nationale Stoffe werden von dalmatinischen Schriftstellern nicht selten gewählt.
Die dalmatinische Literatur kennt alle Formen, die sich in Italien seit der Renaissance
ausgebildet haben: Lyrik, epische Dichtung und Drama. In der Lyrik spielen die gefühl-
vollen religiösen und die schmachtenden Liebeslieder die Hauptrolle, in beiden Gattungen
spiegeln sich die Eanzonen Petrarcas und seiner Nachfolger ab. Eine besondere Art der
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Dalmatien, Band 11
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Dalmatien
- Band
- 11
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1892
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.54 x 21.83 cm
- Seiten
- 370
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch