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Der erste in der Reihe der Dichter des XVI. Jahrhunderts ist Andrija Enbrauovic,
ein aus dem Volke stammender Ragnsauer. Er kam in Ruf durch sein Caruevalsgedicht
(die Zigeunerin), das an Schönheit der Sprache und wahrhaft poetischer
Auffassung die Producte der früheren Zeit bei weitem übertraf und so gefiel, daß selbst die
berühmtesten ragnsanischen Dichter, Guudulic und Palmotic, keinen Anstand nahmen,
ganze Verse aus demselben in ihre Dichtungen einzuflechteu, wie solches Vergil mit Versen
des Ennius und Lucretius gethan hat. Ein anderer ragusanischer Dichter ist Nicola
Naljeskovie, ein gelehrter Mathematiker und Astronom, welcher Liebeslieder, Lnst- und
Schüserspiele schrieb, den aber der ebenfalls aus Ragusa stammende Marin Drzic bei
weitem übertraf. Dessen Schäferspiele unterscheiden sich von denen des Naljeskovie durch
größere Anmuth und glücklicher ausgeführte Verwicklung; die Komödien, welche alle in der
ragnsanischen Volkssprache, eine sogar im makaronischen Stil geschrieben sind, zeichnen
sich durch frischen (manchmal wohl auch derben) Volkshumor aus. Zu den bekanntesten
Dichtern dieses Jahrhunderts gehört ferner Dinko (Domenico) Ranjina, ein Patrizier
aus Ragusa, der iu dieser Republik ehrenvolle Ämter bekleidete. Seine Dichtungen sind
überwiegend erotischen Inhalts. Seine dichterische Begabung zeigen am besten seine
Gelegenheitslieder; in den Reigenliedern stimmt er den Ton der Volkspoesie an. Er steht
auch im Rufe eines gewandten Übersetzers aus den altclassischen Sprachen und eines
glücklichen Nachahmers mannigfaltiger lyrischer Formen. So wie Ranjina zeigt auch sein
Landsmann Dinko Zlataric, der einmal sogar Heetor ^la»müeus der Universität zu
Padua war, große Vorliebe für die Nachahmung altclassischer Muster. So übersetzte er
die „Elektra" von Sophokles und „Pyramus und Thisbe" von Ovid und aus dem
Italienischen die „Amiuta" des Tasso (unter dem Namen „I^ubinir"). Die meisten seiner
Liebeslieder, ebenso wie die Ranjinas feiern Floria Zuzoric (Zuzzeri), eine ragusauische
Patrizierin, die in der dalmatinischen Literatur nicht nur um ihrer edlen Weiblichkeit und
seltenen Gelehrsamkeit willen gepriesen wird, sondern auch selbst als tüchtige Dichterin
glänzt. Ihre Schönheit und ihre Talente wurden auch in Italien bewundert; die Florentiner,
in deren Mitte sie lebte, nannten sie die ragnsanische Aspasia und Tasso feierte ihre
Schönheit in zwei Sonetten.
DasXVII. Jahrhundert, in welchem Ragusa die höchste Stufe feinerMacht und seiner
Cultur erreichte, war zugleich auch das goldene Zeitalter der dalmatinisch-ragusauischeu
Literatur. Der ausgezeichnetste Vertreter dieser Epoche und zugleich die größte Zierde
unserer Literatur war der aus einer altadeligen Familie stammende Ragusauer Johanu
Guudulic (Gondola). Seine Bildung genoß er in der Heimat, wo Jesuiten seine Lehrer
waren. Er betrieb humanistische Studien, Philosophie und Rechtswissenschaft und brachte
es in der letzteren so weit, daß man ihn bald zu den höchsten und angesehensten Würden
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Dalmatien, Band 11
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Dalmatien
- Band
- 11
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1892
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.54 x 21.83 cm
- Seiten
- 370
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch