Seite - 82 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Ungarn (3), Band 12
Bild der Seite - 82 -
Text der Seite - 82 -
82
wurde die Stadt von den Tataren verheert. Das damals schon in erster Blüte stehende
Pest war ebenso schutzlos wie Ofen, beide hatten das nämliche Geschick. Der Feind ver-
heerte auch die kurz vorher in Pest errichtete Klosterkirche der Dominicaner, die an der
Stelle des jetzigen Klosters der Englischen Fräulein stand, und nicht minder die Pfarr-
kirche der Stadt.
In der jetzigen Pfarrkirche der inneren Stadt sieht man in die Wand des südlichen
Thurmes innen einen romanischen Rnndbogensries eingemauert, der für ein Überbleibsel
der alten, dnrch die Tataren zerstörten Kirche gehalten wird. Von der ganzen Architektur
der Hauptstadt vor dem Tatareneinfall ist außer der Überlieferung von diesen wenigen
Gebäuden nichts erhalten.
Wahrscheinlich war, als diese Gebäude eutstanden, die ehemalige römische Stadt
noch nicht ganz zu Grunde gegangen. Und wahrscheinlich ist es auch, daß diejenigen, die
in Ofen Neubauten aufführten, das in den Ruinen Aquinenms bereit liegende Bau-
material, Werkstücke und Ziegel, nicht verachtet haben. Es ist jedoch fraglich, ob die Über-
bleibsel der römischen Kunst sich als locale Überlieferung geltend machten, ob sie der
neu beginnenden architektonischen Kunstübung als Ausgangspunkt dienten, kurz, ob sie,
wie etwa von den Gothen in Südfrankreich, zur Schaffung einer eigenthümlichen Baukunst
benützt wurden.
Die traurigen Erfahrungen des Tatareneinfalls lehrten König Bela IV. die alte
Wahrheit, daß die aus Bergen erbaute» Burgen und Städte die größte Sicherheit gegeu
feindliche Einfälle bieten. So entstand Pest gegenüber die Beste Ofen auf einem ganz
nahe dem Donauufer und mit ihm beinahe parallel verlaufenden länglichen Bergrücken
von etwa 86 Joch Flächeninhalt. Ihre Gründung ist in das Jahr 1249 zu setzen. Die an
der Stelle Aquiueums stehende Stadt erhielt jetzt den Namen Alt Ofen. Ohne Zweifel war
Ofen schon zur Zeit seines Gründers Bela IV. nicht blos eine auf Bergeshöhe gebaute
Stadt, sondern zugleich, wenigstens theilweise, ein mit Vertheidigungswerken ausgestatteter
Platz, eine wirkliche Beste; welcher Art jedoch die Schutzwerke wareu, ist nicht bekannt.
Im Jahre 1255 hatte die Festung Ofen schon viele Einwohner: Ungarn, Deutsche und
Italiener. Dank der günstigen Lage der Stadt waren Handel und Gewerbe schon damals
sehr lohnende Beschäftigungen, die Bevölkerung wnrde alsbald recht wohlhabend und
Hand iu Haud damit ging ein Aufschwung des Bauwesens, das von Bela IV. kräftig
gefördert wurde. Zu dieser Zeit uud in den folgenden 300 Jahren, welche den Aufban
der Festung Ofen vollendeten, entstanden zahlreiche Kirchen, Klöster, königliche Schlösser,
Häuser von Vornehmen, aber obgleich darüber mancherlei Aufzeichnungen vorhaudeu sind,
wird auffalleuderweise keiu einziger Baumeister geuauut. Es ist iudeß wahrscheinlich, daß
die Baumeister dieser ersteu Periode der Festung Ofen meistens Deutsche wareu.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (3), Band 12
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (3)
- Band
- 12
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1893
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.49 x 21.91 cm
- Seiten
- 626
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch