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Achtziger-Jahren immer allgemeiner wurde. Diese zweite Periode der hauptstädtischen
Architektur fällt mit dem Ausbau der Andrässystraße und der großen Ringstraße zusammen.
Die hervorragenden Mitglieder der jüngeren Generation begnügen sich nicht mit dem
schmncklosen Kasernenstil, aber anderseits meiden sie auch das früher gebräuchliche
ornamentale Durcheinander, sie treffen, meist mit richtigem Geschmack und Maß, ihre
Auswahl unter den gefälligeren Formen der italienischen, deutschen, zuweilen auch der
französischen Renaissance oder der Barockkunst. Die schöneren Verhältnisse der Stockwerke,
die correctere Gliederung der über und neben einander befindlichen Theile, mächtig
hervorspringende Gesimse, Erker, Fensternmrahmungen, kurz eine richtigere Eintheilnng,
Gewähltheit der Formen und des Ornaments, Vernunft in der Abwechslung und im
Reichthum charakterisireu die Mehrzahl ihrer Bauten, welche sich durch ein gefälligeres
Äußere vortheilhaft von den älteren unterscheiden. Es darf übrigens nicht verschwiegen
werden, daß, während die Mittel der Kunst dergestalt am Äußeren der Miethhäuser zur
Geltung gelangen, weniger Sorgfalt auf die bequeme, zweckmäßige und die Interessen
der Gesundheit beachtende Einrichtung gewendet wird. Wenn aber die Harmonie
zwischen dem Inneren und Äußeren fehlt, wird oft die am Äußeren angebrachte Kuust
zur Prahlerei.
Von den in neuerer Zeit entstandenen hervorragenden Bauten seien erwähnt und
zum Theil auch im Bilde wiedergegeben: die gräflich Ludwig Batthyäuy'sche Villa
(Audrässystraße 126), ein schönes Werk des feinbegabten, leider früh verstorbenen Gustav
Petschacher, das von Alfred Meinig erbaute Palais Graf Friedrich Weuckheim, ferner
zwei gemeinschaftliche Werke der Architekten Edmund Lechner nnd Julius Pärtos: das der
Oper gegenüberliegende Haus des Peusionsiustituts der ungarischen Staatseisenbahn und
das Thonetsche Haus in der Waitznergasse. Die Fa^ade des letzteren ist ganz mit Majolika
verkleidet und für Budapest schon als erster wohlgelungener Versuch in dieser Richtung
interessant, aber anch sonst ein sehr bemerkenswerther Ban. Ein wesentlicher Theil des
Erfolges gebührt der Fünfkirchner Majolikafabrik von Wilhelm Zsolnay, welche die Ver-
kleidung geliefert hat.
Diese Umwandlung der Architektur im Laufe der letzten Jahre hat die Entwicklung
jeuer Zweige der Kunstindustrie gefördert, die in näherer Beziehung zum Bauwesen
stehen. Die Künste des Schmiedes, Tischlers, Holzschnitzers, sowie die dekorative Plastik
haben in wenigen Jahren anerkennenswerthe Fortschritte gemacht. In Anbetracht dessen,
daß die Kunstindustrie in der Hauptstadt früher sozusagen unbekannt war, wird auch
dieses Wenige als erfreuliche Errungenschaft zu begrüßen sein.
Obwohl sich nnn Budapest in der Baukunst und allen ihr zugehörigen Künsten
neuesteus schöner Erfolge rühmen darf, kann es sich doch noch nicht mit den Hauptstädten
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (3), Band 12
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (3)
- Band
- 12
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1893
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.49 x 21.91 cm
- Seiten
- 626
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch