Seite - 128 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Ungarn (3), Band 12
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hinauf ist noch keine Seuche gelangt. Da oben heilt jede Krankheit. Es ist das Paradies,
besonders für die Kinder.
Am Pfingstmontag aber gehörte der Schwabenberg dem ganzen Bolke. Als hätte
die ganze Stadt sich auf die Beine gemacht, so wälzten sich schon mit Tagesanbruch die
uuterhaltungslustigen Scharen die Bergpfade hinan: Gesaugsvereiue, Zi'mfte, Körper-
schaften, Schulen mit ihren Fahnen, unter Gesang nnd Trommelwirbel; der flotte Stutzer
tanzt, die Guitarre umgehängt, im Walzertakt vor seiner Herzlichsten her; der vierschrötige
Altbürger dringt empor, den Kulacs (hölzerne Feldflasche) am Halse baumelnd, den
„Zöger" voll von guten Bissen am Arme der Ehehälfte, die beiden Jüngsten in ein
Kinderwägelchen gepackt, das vorue der größere Junge zieht und hinten das Töchterlein
schiebt; Mädchen im Backfischalter, das Gesicht von Berglnft geröthet, ziehen des Weges;
„Cavaliere" im Cylinderhut, das Shawltuch ihrer Damen über den Arm; nervige
Arbeitsleute, ein Fäßlein Bier an der Stange über den Schultern; stramme „Bakas"
(Infanteristen) in Begleitung ihrer rothbackigen Köchinnen. Am Wege steht eiu ein-
schichtiger Zigenner und begrüßt die emporklimmenden Karavanen mit dem Klapkainarsch
oder der Schneider Fanny-Polka, die er ihnen ans seiner Solotrompete entgegenbläst.
Die ankommenden Gruppen suchen nicht Dach und Fach, nicht Haus, noch Schenke,
sondern den Schatten von Baum und Strauch. Dort pflanzen sie den Kessel auf, suche»
dürres Reisig, machen Feuer an und kochen sich ihr paprieirtes Gulyäs, neben dem das
Fäßchen angeschlagen steht. Schöne Mädchen streichen nmher und pflücken Blumen, deuu
Wald uud Feld stehen just in vollster Blüte; sie binden große „Buschen" nnd kehren
alle mit bekränztem Kopfe zurück. Ausgelefeue Zeitungen dienen als Tischtücher, auf
denen die Hauswirthinnen den Schatz ihrer Mahlzeit auslegen. Um die Lebkuchenzelte
her drängt sich die Kinderschar; verliebte Burschen kaufen ihren Auserwählten bunt-
verzierte Herzen. Der „Gottschewer" geht mit dem Pommeranzenkorbe nicht vergeblich
um, und auch der Slovake nicht, der die krummen Stecken feil hat und die Taschenmesser
mit verzierten Holzstielen. Hier werden kriegerische Lieder gesungen, dort wird „Fanget's"
gespielt, an den Büschen flattern Damenhüte, bunte Tücher. Und zwischendurch üben an
die fünfzig Drehorgeln ihre harmonische Kunst um die Wette mit sechs Zigeuuerbaudeu
und der trompeten- und paukengewaltigen Bauernkapelle der Budakeßer Schwaben; so
viele Stimmen, so viele verschiedene Weisen, und all das zugleich und durcheinander, ein
Concert, das jedes anderweitig bekannt gewordene Musikvergnügen weitaus übertrifft.
Die untergehende Sonne bescheint ans dem Schwabenberg an die vierzigtausend tanzende,
jauchzende, umhertollende Menschen. Der grüne Rasen ist vom heftigen Polka- uud
Csärdästauzeu schon zu förmlichen Dreschtennen niedergetreten. Der Sternwirth bedient
bereits mit Kind und Kegel uud hat doch nicht Hände genug. Dort ist ja das Eldorado
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (3), Band 12
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (3)
- Band
- 12
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1893
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.49 x 21.91 cm
- Seiten
- 626
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch