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der Genüsse; Musikkapelle, Volkssänger, Schaukel, Ringelspiel; dazwischen kracht die
Kegelbahn von der schweren Holzkugel; muskelkräftige Bursche schlagen mit der Faust
den riesigen Luftball in die Höhe, da gibt es Scheibenschießen, Ringkamps, Kletterbäume;
klappernd rollen Würfel eines Kreuzer-Monte Carlo, wo ein fahrender Gottschewer die
Bank gibt und ein Kranz Feigen den Gewinn bildet. Mittlerweile wandern die idealer
gesinnten Ausflügler zum Normabaum hinan und auf deu Johannesberg und genießen
die entzückende Aussicht. Dann geht der Mond auf und leuchtet diesem ganzen Menschen-
strome heim, der sich wieder den Berg hinabwälzt. Zerknitterte Anzüge, zerknüllte Hüte,
weiße Kleider und „Anginet-" (Nanking-) Pantalons mit grasgrünen Flecken, hoch-
geröthete Wangen, einander stützende Gestalten, singende Gruppen, aus vollem Halse
lachende, förmlich aus der Haut fahrende Urtypen des hauptstädtischen Bauern, wilde
Pärchen, die noch nicht genug getanzt haben und auch den Heimweg im Polkaschritt
zurücklegen; disputireude Bürger, übermüthige Handwerksgesellen, die sich dnrch einen
gedungenen Werkelmann nach Hause mnsiciren lassen; verzückte Familienväter, welche
die Nacht um jeden Preis unter freiem Himmel verbringen wollen, obgleich Weib und
Dienstmagd sie von rechts und links stützen müssen; dazwischen ein geängstet aufquiekendes
Dirnlein, das man auf einen Esel gesetzt hat und das nun mit diesem durch alles Dorn-
gestrüpp hindurch muß. Und so wickelt sich dieser Anblick in tausendfältigem Wechsel bis
zur späten Mitternacht ab; auf dem Grasplan jedoch tanzen die Leutchen noch immer
weiter, bei Mond- und Laternenschein, um die Drehorgel her, und unter dem Lanbgezelt
arbeiten noch in der Morgenfrühe die braven Bndakeßer mit Pauke und Bombardon.
Und in der ganzen durcheinander tollenden Menschenmenge sah man keinen Gendarmen.
Selten kam es da zu Streit und Schlägerei oder anderen Ausschreitungen. Und die ganze
Unterhaltung hatte znletzt ihren Hauptreiz darin, daß mau ihretwegen zu Fuße aus den
Berg „klettern" mußte. Und nun erst den Weg herunter! Die Rosse der Apostel waren
die einzige» Verkehrsmittel. Darum hatte man so recht seine Freude dran.
Aber der Schwabenberg blieb nnr so lange ein Paradies, bis die Spekulanten
erfuhren, daß er eines ist. Urplötzlich wurde der Schwabenberg von den Vandalen des
Weinbaues überschwemmt. Sie rodeten die Urwälder ans und pflanzten Reben an ihre
Stelle; sie hieben die vierhnndertjährigen Riesenlinden und weithin schattenden Ahorne
im Lustgarten des Königs Matthias um; sie verscheuchten ans den Hainen die Amseln
nild die Musen und pflanzten überall Reben, Reben.
Der Schwabenberg rächte sich natürlich; sie hatten ihm Wein abzapfen wollen, da
weigerte er ihnen sogar das Wasser. Mit dem Ausroden der Urwälder versiegten die
Quellen, uud während früher der Königsbrunnen sogar die Ofner Festung mit frischem
Trinkwasser versorgt hatte, mußten die Schwabenberg-Bewohner nnnmehr sich das
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (3), Band 12
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (3)
- Band
- 12
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1893
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.49 x 21.91 cm
- Seiten
- 626
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch