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zuzusehen, wie er hoch zu Roß, die Haud in die Hüfte gestemmt, den „Giftstengel"
zwischen den Zähnen, neben der geliebten Küchenfee dahin galoppirt, welche, den rothen
Sonnenschirm aufgespannt, die halbe Welt in die Schranken fordert.
Das Salz und Pfeffer bei all diesen Belustigungen ist aber die verführerische
Beredsamkeit der vor ihren Schaubuden stehenden Impresarios. Meist sind es Italiener,
jedoch so weit acclimatisirt, daß sie dem Nationalgefühl der Zuschauer durch ungarische
Programmreden huldigen. Es ist ein wissenschaftlich-künstlerischer Hochgenuß, ihueu
zuzuhören, wie sie sich fachmännisch über Magnetismus und Hypnotismns oder über die
Lebensbeschreibung der Schlangen verbreiten, Alles im reinsten Scythisch-Magyarisch.
An Sonn- und Feiertagen zählt die Menge an diesen der Volksbelustigung gewidmeten
Stätten nach Zehntausenden und man sieht hier alle Volksclassen durcheinander gemischt.
Hierher kommt Jedermann zu Fuße und nur eine Art von Fuhrwerk hat das Recht des
freien Verkehrs auf der Straße des Volksgartens, nämlich das Wägelchen mit dem buut-
geputztcn Baby, das die Amme, im hundertfach gefältelten Sonntagsrock prangend, vor sich
herschiebt. Wenden wir uns von hier rechts und begeben wir uns über das schon erwähnte
Brücklein nach der kleinen (Szechenyi-) Insel. Dort empfängt uns ein elegantes Tivoli
mit regelrechter Zigeunermusik. Herrliche Linden beschatten das Eiland. Und auch weiter-
hin löst ein malerisches Bild das andere ab, die ganze Palatinsinsel mit eingeschlossen,
auf der blos das provisorische Gebäude des artesischen Bades durch prosaische Formen
stört. Freilich, diese Prosa ist zugleich heilkräftig und wohlthätig. Der artesische Brunnen,
der dieses Bad versorgt, ist der tiefste des Coutinents; die Hauptstadt hat ihn durch deu
Ingenieur Wilhelm Zsigmondy bohren lassen. Unter den grünen Bäumen, die das Bad
umrahmen, sitzen bleiche Damen mit Gläschen in der Hand und schlürfen langsam das
heiße Wasser des unentgeltlich sprudelnden Heilquells.
Rechts vom Teiche und seinen Inseln dehnt sich der Schauplatz de rLaudes -
ausstel luug hiu, von deren schönen Bauwerken drei erhalten geblieben sind: die grvße
Jndnstriehalle, der Königspavillon und die Kunsthalle. Die große Jndustriehalle dient
gegenwärtig als ständiger Ausstellungsraum für Haudel und Gewerbe nnd ist eines
Besuches werth. Dort findet man die Erzeugnisse der einheimischen Industrie iu ihrer
ganzen Ursprünglichkeit und großen Reichhaltigkeit beisammen; auch wird dort jährlich
eine Blumen- und Obstausstellung veranstaltet.
Hier ist zugleich der Ausgangspunkt von außerordentlichen, zu wohlthätigem Zweck
veranstalteten Festzügen, wie sie die Vornehmen der Stadt, in Gemeinschaft mit Schrift-
stellern und Künstlern, zu veranstalten Pflegen; Aufzüge mit phantastisch geschmückten Fest-
wagen, von deren Höhe herab die beliebten Künstlerinnen der Theater, in volksthümliche
Tracht gekleidet, Blumen und Gedichte in das Gewühl des Publikums zu streuen Pflegen,
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (3), Band 12
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (3)
- Band
- 12
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1893
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.49 x 21.91 cm
- Seiten
- 626
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch