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Musikbanden vor sich her und Banderien von berittenen Jünglingen im Gefolge. Oder ein
Landesturnerfest setzt viertausend jugendliche Turner in Bewegung, die unter Trompeten-
schall in kriegerischer Ordnung, jede Rotte in anderer Tracht, aufgezogen kommen, um
auf dem umhegten freien Platze die olympischen Spiele der alten Griechen wiederzubeleben
und um athletische Kränze zu kämpfen. Am großen Nationalfesttage endlich, am Tage
St. Stephans, sieht man da Hunderttausende von Gästen aus dem ganzen Lande zusammen-
strömen und ergötzt sich an den gewaltigen Chorgesängen der verbündeten Gesangsvereine.
Wenn dann die Budapester Pferderennen kommen, die sich bereits eines Welt-
rufs erfreuen, zeigt das Stadtwäldchen wieder ein neues Lebensbild. Die Stephanie-
straße wird zur belebtesten Promenade. Die Equipagen rollen um die Wette dahin,
ganze Reihen von Viergespannen streiten um die Palme. In den Kutschen zieht das
Garderegiment der Schönheit, der Mode, schier endlos an unserem Auge vorüber, uud
diese Unmenge von Schönheit besetzt die Tribüne des Rennplatzes. Unten auf dem Turf
sieht man die Berühmtheiten unseres öffentlichen Lebens, mit hervorragenden ausländischen
Gästen vermischt, um sie her aber wimmelt und wogt die breite Masse des Volkes:
Studenten, Kaufleute, Gewerbetreibende, und sie alle erwarten mit Spannung den
Ausgang des Rennens, umdrängen den Totalifateur, wetten auf die Pferde und nehmen
Theil an den Aufregungen, der Freude, den Enttäuschungen, welche die Lustbarkeit der
vornehmen Welt mit sich bringt, und grüßen den Sieger mit brausenden Eljens. Der
Wageneorso nach dem Rennen, mit seinen beiden Reihen glänzender Eqnipagen die
ganze Andrässystraße entlang, ist eines der schönsten Schauspiele Budapests. Schon bei
der Anlage der Andrässystraße wurde daran gedacht, deshalb versah man den Fahrdamm
der breiten Straße mit Holzpflaster und ließ keine Pferdebahnlinie hindurchziehen. Die
Andrässystraße selbst, die für das Budapester Volksleben die Schlagader des Herzens
bildet, ist der wahre Stolz Budapests. Die Opferwilligkeit des Landes hat, auf die
Anregung des Ministerpräsidenten Julius Audrässy hin, die zwei Kilometer lange Radial-
straße ins Leben gerufen. Sie zeigt jenes Antlitz Budapests, das in Wahrheit einer Welt-
stadt angehört. Vom Karlsring angefangen bis zum Oetogou sind ihre Palastreihen mit
den prächtigsten Schaufenstern, mit glänzend ausgestatteten Kaffee- und Speisehäuseru
besetzt und es herrscht ein lebhafter Verkehr von Geschäftsleute» und Kuudeu. Jeden
Nachmittag aber verwandeln sich die Asphalttrottoirs in große Wandelbahnen, die holz-
gepflasterte Straße in eine Fahrbahn, auf der sich Equipagen nnd Miethwagen in buntem
Wechsel jagen. Jenseits des Octogons sieht man bis zum Roudeau beinahe nur Paläste
uud Miethhäuser ohne Kaufläden; die breite Straße theilt sich in fünf Bahnen mit
ebenfovielen schattigen Alleen; die beiden äußeren sind gepflastert und den dahiuwackelnden
Omnibussen überlassen, die mittlere Bahn gehört den schnellfahrenden Gespannen und
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (3), Band 12
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (3)
- Band
- 12
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1893
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.49 x 21.91 cm
- Seiten
- 626
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch