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erobernden Legionen und Beamten, mit denen sie fortwährend in Berührung standen,
auch blieb die römische Cultur nicht ohne Einfluß auf sie, die classische Kuustempfiuduug
jedoch eigneten sie sich nicht an und der Stil ihrer Denkmäler ist daher roh; man könnte
ihn einen römisch-galatischen nennen. In den Schmncksachen, zum Beispiel der silbernen
Fibula von Pätka, ist er recht gefällig, an den Steinsärgen und Steinreliefs jedoch, die
theils im Hofe des Museums, theils aus Raummangel in dem Lapidarinm der Säulen-
halle aufgestellt sind, zeigt sich überall eine ungeschulte Kunst. Gleichwohl ahmten sie die
damals in Rom modernen Compositioueu nach, und so wie wir heute an der Wand irgend
eines Provinzgasthauses einen schlechten Stich nach Rasaels Madonna della Seggiola
sehen, dürfen wir uns auch nicht wundern, in Pannonien der berühmten Medea des
Timomachns zu begegnen oder den Orestesgruppen der römischen Sarkophage oder der
Strafe des Marsyas, alledem freilich in unvollkommener, roher Nachbildung. Auch iu den
Inschriften der Grabmäler wurden die Muster der Hauptstadt nachgeahmt. Titns Älins
Jnstns beklagt mit böser Versisication und Latinität, aber mit tiefem Gefühl den Tod seiner
treuen Gattin Älia Sabina und preist ihre Tugenden, ihre Bildung, ihren schönen Gesang.
— T. Domninns läßt für sich noch zu seineu Lebzeiten einen Steinsarg anfertigen, später
aber auch seine beiden Söhne darin beisetzen, deren einer mit 17 Jahren starb, während
der andere, ein Kaufmann, wie er mittheilt, durch die Grxnzbarbaren getödtet wurde. Und
Älins Victorinns, der ein Duplicarius war, das heißt wegen seiner Tapferkeit doppelte
Futter-Rationen faßte, läßt auf seinem Grabmal naiv sein eigenes Bild anshanen, wie er
zwei Pferde am Zügel führt. Die Zahl der Inschrift- und Reliefsteine ist im National-
museum größer als in irgend einer Sammlung diesseits der Alpen; Alles aber ist locale
Steinmetzarbeit, ohne Spur von classischem Geschmack.
Indeß ließen die höheren römischen Beamten auch Originalkunstwerke aus Italien
kommen, so unter anderen den silbernen Dreifuß von Nagypolgärd, der einst vermuthlich
als Tempelschmuck diente, und den im Komorner Comitate gefundenen Wagen mit plastischem
Schmuck von bacchischem Charakter, ein wirklich schönes Muster römischen Kunstfleißes
aus der Zeit Hadrians.
Den größten Stolz der Antiquitätensammlung bilden jedoch die Denkmäler der
Völkerwanderung. Jene germanischen Völker, die das weströmische Kaiserreich stürzten
und das oströmische schreckten, hausten im II. und III. Jahrhundert n. Chr. an den Küsten
des Schwarzen Meeres, am linken Ufer der Donau, auf deu von Dniester und Dnjepr
durchströmten Ebenen, und berührten sich dort mit den alten griechischen Kolonien des
Pontus, insbesondere mit Pantikapäon, das auch unter der Römerherrschaft noch die
Überlieferungen der hohen altgrichischen Cultur bewahrte. Unter diesen Völkern waren
es die Westgotheu, welche das westliche Tiefland besetzten; hinter ihnen saßen die Ostgothen,
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (3), Band 12
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (3)
- Band
- 12
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1893
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.49 x 21.91 cm
- Seiten
- 626
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch