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dafür, daß an König Matthias' Tafelrunde auch magyarische Gesänge erklungen sind.
Fr. Aruoldus de Bavaria schreibt nämlich in seinem zu Köln 1482 erschienenen Werkchen:
„Der Erwähnung werth scheint mir jener Ungar, Namens Gabriel, der zur Ergötzung seiner
Heimatgenossen mehrere vortreffliche ungarische Gesänge und Lieder derart glücklich verfaßt
hat, daß an diesen — wie man sagt — selbst der großmächtige Matthias, der hochgelehrte
König der Pannonier, in freien Stunden oftmals Wohlgefallen gefunden. Derselbe
Gabriel, so erfahre ich von meinen dortigen Mönchsgenossen, bemüht sich jetzt, des
erwähnten unüberwindlichen Königs Tapferkeit und Kriege in ungarischer und lateinischer
Sprache zu besingen, um das unvergängliche Gedächtniß dieses großen Königs den
kommenden Jahrhunderten zu überliefern."
Allein der Tod des großen Königs ließ die Klänge der nationalen Epik gleichsam
verstummen. Unter der Herrschaft der Jagellonen sehnte man sich oft nach Matthias
zurück, dem Mann von starkem Arm und energischem Entschluß, der „so mächtig war unter
den Königen, daß er, wie das obenerwähnte Gedenklied sagt, die Stadt Wien und Deutsch-
land (Österreich) nach Belieben an seine Krone knüpfte." Jetzt wußte Niemand die Interessen
der Nation gegen den drohenden äußeren Feind zu schütze», noch Hab nnd Gnt der Einzelnen
gegen die mächtigen Oligarchen. Das Volk sah sich verlassen und giug Geistlichen und
Weltlichen, überhaupt den Herren, mit scharfer Satire zu Leibe. Es war unzufrieden mit
der Zeit, es sehnte sich nach gesellschaftlicher Reform und wagte es, vielleicht zum ersten
Male, die drohende Haltung anzunehmen, die sich in dem „Straflied" Apätis kundgibt.
Diese allgemeine Unzufriedenheit verrieth, daß große Zeiten im Anzug waren.
II.
Das XVI. Jahrhundert bewirkte in Ungarn außerordentliche Veränderungen. Die
Gebietseinheit des Landes wurde zerstückelt, die politische Einheit der Nation spaltete sich
in starke Parteien und ihre religiöse Überzeugung folgte den verschiedenen Glaubens-
bekenntnissen. Die Idee des Protestantismus, die selbst am königlichen Hofe Schützer fand,
verbreitete sich nach der Unglücksschlacht bei Mohäes rasch und die Nation wurde völlig
hineingerissen in den Wirbel jener Bewegung, die auf den Trümmern der Renaissance
entstand, um die Religion und mit ihr die ganze Gesellschaft, die ganze Weltanschauung
der europäischen Menschheit umzugestalten. Die Apostel der neuen Religion stürzten die
einheitliche religiöse Überzeugung des mittelalterlichen Magyarenthnms von Grund aus
um und nahmen den Kampf auf nicht nur mit den Priestern der katholischen Kirche,
sondern mit Allen, die der Ansicht waren, daß die Macht der katholischen Kirche noch
ferner aufrecht bleibett solle. Mit unwiderstehlicher Gewalt rissen sie alle geistigen Verkehrs-
mittel an sich: die Druckerpresse, die Schule, die Kanzel, und der schlichte Prediger wnrde,
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (3), Band 12
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (3)
- Band
- 12
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1893
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.49 x 21.91 cm
- Seiten
- 626
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch