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gehören: Albert Gergei (nach Anderen Gyergyai), dessen Feenmärchen „Königssohn
Argirns" noch hente ein Lieblingsbuch des Volkes ist; Peter J losvai , der die dem
Volksmund entnommene Toldi-Sage in Verse faßte und dadurch den Stoff zu Johann
Aranys Meisterwerk, der Toldi-Trilogie, lieferte; ferner zwei Ungenannte, deren einer
eine „schöne Historie" „von König Bela und der Tochter Bankös" schrieb, während
der andere „die Historie von Szilägyi und Hajmäsi" bearbeitete. Die letztere Sage
hat sich bei den Szeklern bis in unsere Tage erhalten. Wir übergehen die übrigen ein-
schlägigen Werke, um nur uoch die „schöne Historie" von „Enryalns und Lncretia"
zu erwähnen, eine gereimte Bearbeitung des gleichnamigen Prosaromans von Aeneas
Sylvins; es wird darin die Liebesgeschichte des mit dem deutschen Kaiser in Siena
weilenden Euryalus und einer dortigen Dame geschildert, wobei die Leidenschaft der
Betheiligten in ihrer Entwicklung und Erstarkung, sowie deren Dialectik, zu recht künst-
lerischer Darstellung gelangt.
Von wem die ungarische Bearbeitung herrührt, ist ungewiß. Aron Szilady hält
Valentin Balassa für den Verfasser, was er mit nicht geringer Wahrscheinlichkeit
nachweist. Es ist hier nicht der Ort, diese Frage genauer zu prüfen, mit Balassa jedoch
müssen wir uns etwas eingehender beschäftigen, denn er ist der größte ungarische Dichter
des XVI. Jahrhunderts, der in der ungarischen Lyrik eine neue Epoche geschaffen hat.
Seine Richtung weicht von den bisher behandelten völlig ab. Bis zum Auftreten Balassa's
waren Patriotismus, Familiengefühl und die Betrachtung der Naturschönheiten mit dem
religiösen Element verquickt. Die weltlichen Freuden, die Liebe, gelangten nur hier uud
da zum Ausdruck. Auch Balassa läßt zwar in einem Theil seiner Gedichte das religiöse
Element in Geltung, allein er neigt auch dem weltlichen zu und umfaßt Regionen der
Poesie, die vor ihm so viel wie unbekannt waren. Er kennt die Volksdichtung, die
Blumenlieder, aber auch die europäische Literatur seiner Zeit und schöpft auf beiden
Gebieten für seine Lieder, deren Wirkung bis zum Ende des XVIII. Jahrhunderts fühlbar
bleibt. Dies ist das literaturgeschichtlich Wichtigste an ihm. Er greift nicht nur nach neuen
Stoffen, sondern schafft auch eine neue Kunstgattung, die bis dahin nur in der Volks-
dichtung bekannt, von der Kunstpoesie aber gemieden war. Überdies bildet er die lyrischen
Versformen, die sich bei den Verfassern der früheren Gesänge mit mehr oder weniger
Glück entwickelt hatten, regelmäßiger aus, ja, er erfindet sogar eine neue ungarische Vers-
form, die nach ihm noch heute die Balaffa-Strophe heißt.
Balassa wurde im Jahre 1551 aus einer Familie des Hochadels geboren und machte
gleich rasche Fortschritte in der geistigen Ausbildung wie in der Handhabung der Waffen.
Er war ein echter Edelsohn, der mit einundzwanzig Jahren bei König Rudolphs Krönung
durch den Preßbnrger Reichstag im abendlichen Reigen durch sein anmuthiges Tanzen auch
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (3), Band 12
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (3)
- Band
- 12
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1893
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.49 x 21.91 cm
- Seiten
- 626
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch