Seite - 270 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Ungarn (3), Band 12
Bild der Seite - 270 -
Text der Seite - 270 -
270
Phantasie von den Gestalten der classischen und modernen Dichtung umwimmelt und früh
schon von kriegerischem Leben nmranscht war. Gleich glänzend bestand er seine dichterischen,
wie seine kriegerischen Proben. Seine Siege über die Türken wurden in ganz Europa
gefeiert uud die katholischen Fürsten, auch der Papst, wetteiserteu, ihn auszuzeichnen, und
gleichzeitig schrieb er Gedichte unter dem Titel: „Die Sirene des adriatischen
Meeres" (^äriai ten»er SirenHa), die wir noch jetzt bewundern. Diese Sammlung
erschien im Jahre 1651 zu Wien und ihr ansehnlichstes Stück ist das Epos: ,0bsiäic>
SiKktiana" in 15 Gesängen, ein Werk von meisterlich abgerundeter und vollendeter
Eomposition, voll künstlerischen Lebens und psychologischer Schärfe in der Charakter-
zeichnung, charakteristisch und nicht selten erhaben in der Sprache, kurz eine der vorzüglichsten
magyarischen Dichtungen, seitdem höchstens in Sprache und Versbau, nicht aber an
poetischer Erfindungskraft übertroffen.
Zrinyi macht dieses Epos zum Träger einer großen Idee, wodurch er die sonst
unbedeutend erscheinende Vertheidigung einer Beste zu einem außerordentlich wichtigen,
auf das ganze Leben der Nation einwirkenden Ereigniß erhob. Nämlich: der Ungar ist
verkommen, in Sünden versunken und kann sich vor der Rache der Nemesis nur durch die
Aufopferung des Repräsentanten seiner Tugenden erretten. Verkörpert zeigt Zrinyi die
Tugenden der Nation in einem seiner Vorfahren, Nikolaus Zrinyi, der im Jahre 1566
selbst den großen Sultan Soliman in seinem Siegeszuge aufzuhalten wußte und mit seiner
Handvoll Kriegsvolk den Trümmerhaufen seiner zusammengeschossenen Festung bis auf den
letzten Blutstropfen vertheidigte. Gott selbst beschließt die Bestrafung der ungarischen Nation
und schürt durch die Furie Alekto den Zorn des Sultans. Da bricht Soliman mit seinem
ungeheuren Heere auf und besetzt das Land jenseits der Donau. Dem ungarischen Helden
Zrinyi aber thut Gott mittlerweile in wunderbarer Weise kuud, daß er sterben muß, um seinen
gewaltigen Grimm zu versöhnen. Es folgen größere und kleinere Kämpfe und dazwischen
die reizendsten idyllischen Episoden. Soliman verzweifelt beinahe und glaubt nicht mehr an
den Sieg, da bringt ihm eine Brieftaube Kunde von der äußersten Noth der Belagerten.
Nun gibt es keine Rettung für Zrinyi. Das ganze Heer der Teufel steht den Türken bei,
die den Haupthelden mit fünfhundert Kriegern in die Citadelle zurückdrängen. Zrinyi fühlt
seine letzte Stunde nahen und macht, nachdem der Erzengel Gabriel die Teufel verjagt hat,
einen Ausfall. Er richtet ein furchtbares Blutbad an und streckt den Sultan eigenhändig
nieder, bis er schließlich, von der Überzahl des Feindes erdrückt, sammt seiner kleinen Schar
den Heldentod findet. Engel tragen seine Seele vor Gottes Thron und bekränzen sie dort.
Dies ist, in möglichster Kürze, der Inhalt des ausgezeichnetsten christlich-magyarischen
Epos. Zrinyi folgt allerdings den Spuren Vergils und Taffo's, entfaltet jedoch in seiner
Kunst so viel Selbständigkeit, daß er füglich als ursprüngliches poetisches Genie gelten darf,
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (3), Band 12
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (3)
- Band
- 12
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1893
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.49 x 21.91 cm
- Seiten
- 626
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch