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die erste ungarische Zeitung, den „Ungarischen Boten" Ilirmonäo), er griff die
Idee zur Gründung der ungarischen gelehrten Gesellschaft auf, die zuerst durch Befseuyei
angeregt worden, und legte ihren fertigen Plan dem Kaiser Joseph vor. Er verband sich
mit seinen Genossen, um die Überlieferungen der Vergangenheit mit den Strebungen der
Gegenwart zu verschmelzen, die Sprache auszubilden und zu ihren alten Quellen zurück-
zuführen, deren Werth man zu jener Zeit noch wenig würdigte.
Die Wirksamkeit der classischen Schule hörte nicht nur nicht auf, sondern die
äußere Form erfüllte sich im Gegentheil erst von jetzt an mit innerem Gehalt, die Verse
von fremdartigem Taktschritt nehmen Poesie auf, theils bei Kazinezy, Dayka, Baesänyi,
theils selbst bei Földi, ganz besonders aber bei Benedikt Viräg, der die Schranken des
starren Formalismus ausweitete, so daß sie zur Aufnahme der poetischen Idee und
nationalen Empfindung fähig wurden. Viräg benützt die Idee der Vaterlandsliebe, die allen
ungarischen Dichtern gemeinsam ist, gleichsam als entwickelndes Element, er weiß die philo-
sophische Ruhe der römischen Dichter, insbesondere des Horaz, zu verwerthen und steigt oft
bis zum Erhabenen. Seine gesammte Wirksamkeit, im Dichten, Fühlen und Denken, hat
eine Grundlage: die Vaterlandsliebe, die ihn belebt und ihm das Vertrauen auf die
Zukunft der Nation einflößt. Der Väter Ruhm hat zu dieser Zeit keinen feurigeren Ver-
herrlicher als Viräg. Die in den Türkenkrieg ziehenden Heere erinnert er an die Zrinyi
und Nädasdy, deren Heldengeist, wie er glaubt, noch immer über den ungarischen Kriegern
schwebe. Und wenn er die Verkommenheit der Nation betrachtet, tönt seine Leier
bittere Klage, leidenschaftlichen Vorwurf, wie um die Geister auf Berzseuyis mächtig
erschütternde Klänge vorzubereiten: „Verderbuiß droht dem Ungar, der einst so stark!"
Doch das patriotische Leid Virägs wird wohl auch durch herrliche Bilder der Vergangen-
heit aufgeheitert und dann verkündet er voll Selbstgefühl:
Von Budas Bergen werd' ich dann höher'n Klangs
Des Helden Ärpäd klagenden Sprößlingen
Zurufen: „Eines besser'n Glückes
Morgen sich röthet bereits: vertrau n wir!"
Seine Gedichte, welche einzeln erschienen, wurden gesammelt in den Jahren 1799 und 1823
herausgegeben, als bereits ein noch mächtigeres Talent, Daniel Berzseuyi (1776—1836)
die ungarische Poesie von elassicistischer Form beherrschte. Auch Viräg wurde von seinen
Zeitgenossen der ungarische Horaz genannt, doch gebührt diese Bezeichnung unter den
ungarischen Dichtern in erster Reihe ohne Zweifel Berzsenyi. Dieser betrachtet den Geist
seiner Zeit gleichsam mit den Augen des Horaz, aber er gießt in die Gefühle, welche die
Ereignisse in ihm erregen, seine eigene Seele. Ansporn und Richtung läßt er sich von
Horaz geben, aber er folgt den Eingebungen seines eigenen Genius. Er bevölkert den
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (3), Band 12
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (3)
- Band
- 12
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1893
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.49 x 21.91 cm
- Seiten
- 626
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch