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sich sein Gemüth doch nicht, sondern blieb — seine Liebeszncknngen ausgenommen —
heiter im Vertrauen auf seine Zukunft und die Theilnahme seiner Nation. Aber sein
Schicksal blieb bis aus Ende tanb für sein Flehen und erfüllte nicht einmal seine aller-
bescheidensten Hoffnungen. Seiner dichterischen Begabung jedoch hat die Zeit Gerechtigkeit
widerfahren lassen und die jetzige öffentliche Meinung in literarischen Dingen hält Csokonai
als Lyriker, und vollends als Epiker, für eine der glänzendsten Gestalten der ungarischen
Dichtung.
Csokonai schrieb Oden, Elegien und Lieder, die eine große dichterische Kraft und
edle Empfindung athmen. Er begeistert sich für die Cultur der Menschheit und insbesondere
seiner Nation, und das bürgerliche Verdienst hat an ihm stets den wärmsten Fürsprecher.
Er schaudert vor den Greueln der französischen Revolution, seine milde Seele sehnt sich
nach dem Ölzweige des Friedens. Seine Liebesoden, an Juliane Vajda gerichtet, die
er in seinen Gedichten Lilla nennt, ferner seine volksthümlichen Lieder sind voll Frische,
Gesundheit und Phantasie. Seine Sprache ist leicht und natürlich, aller Gesuchtheit und
Künstelei fern, mitunter allerdings etwas bäuerisch, wofür er zu seiner Zeit ungerecht
beurtheilt wurde. Seine gute Laune kennt oft keine Schranken, seinen Schmerz aber
weiß er stets zu mäßigen. Er ist sanft und schwermüthig, gefühlvoll und zart. Csokonai
hat den Stoff, der dichterischen Gestaltung und der Sprache nach, das volksthümliche
Element und die volksthümlichen Versformen auf die höchste Stufe erhoben. „Dorothea .
oder der Damen Triumph im Fasching" (DoroUva a ckämak diaäala a, karsanZorl)
ist als komisches Epos ein so vorzüglich durchgeführtes Werk, daß die ungarische Literatur
ihm kaum etwas au die Seite zu stellen hat. Die Hauptidee ist, daß die Männer nicht
heiraten mögen, während die Weiber um jeden Preis unter die Haube kommen wollen,
schlimmsten Falles durch rächende Eroberung; schließlich stellt die Liebe das natürliche
Verhältniß der beiden Geschlechter her.
Eigentlich erzählt Csokonai eine Fastnachtsunterhaltung im Somogyer Comitate,
wobei Dorothea, eine alte Jungfer, mit ihren Genossinnen gegen die Männer, die ihnen
den Jungfernkranz gelassen haben, und gegen Prinz Carneval zu Felde zieht. Die komische
Ader dieses lustigen Epos ist unerschöpflich, einige seiner Figuren sind zum sprechen lebendig
gezeichnet. Csokonai „läßt selbst in den absonderlichsten Situationen die seltene Kunst der
dichterischen Vorspiegelung glänzen." Die Gestalt der Dorothea ist mit ganz besonderer
Virtuosität geschaffen. Die Pinselstriche des Dichters sind oft grob, aber immer treffend,
ja präcis; seine Bilder und Vergleiche sind charakteristisch und beinahe bis zur Grausamkeit
höhnisch. Csokouais bewußte Schaffenskraft steigert die komische Stimmung selbst in den
geringsten Einzelheiten immerfort, mit sichtlicher Passion malt er das stumme Spiel der
Leidenschaften aus und folgt dem Grimm der Mädchen, insbesondere Dorotheas, von
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (3), Band 12
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (3)
- Band
- 12
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1893
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.49 x 21.91 cm
- Seiten
- 626
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch