Seite - 296 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Ungarn (3), Band 12
Bild der Seite - 296 -
Text der Seite - 296 -
296
bekannten Wörtern Schätzungen von neuer Bedeutung zu geben oder ganz neue Wörter
zu bilden und auch in der Syntax poetischere Wendungen und Formen heimisch zu machen.
Er gab der poetischen wie der prosaischen Sprache künstlerischen Schliff, wenn auch oft
durch Aufopferung der Urwüchsigkeit und des magyarischen Charakters, denn er nahm
weniger die Natur der magyarischen Sprache zur Grundlage, als daß er die poetischen
Schönheiten der fremden Sprachen mit allem Drum und Dran in die ungarische Sprache
verpflanzte. Daher ist er oft gezwungen und künstelt, allein das Streben nach künstlerischem
Gepräge spricht aus jedem Werke, aus jeder Zeile. Sein außerordentlich feiner Geschmack
führt ihn öfters ins Extrem, so daß er zum Beispiel bei der Übersetzung des Sallust alles
Charakteristische des Originals, sogar dessen Tonfall nachahmen will. Seine Prosa, welche
zumeist aus Übersetzungen besteht, hat die ungarische Literatursprache künstlerisch gemacht,
ihr Kraft und Energie eingeimpft, ihr Biegsamkeit, Sauberkeit, Kühnheit der Wendungen
verliehen. Für jede Kunstgattung schuf er einen besonderen Stil und hielt auch seine
Schriftgenossen dazu an. Ihm schwebte die „höhere Schönheit", das classische Ideal vor,
nicht nur in seinen Gedichten, auch in den Prosawerken und selbst in seinen Briefen. Als
Dichter hat er nur Epigramme von bleibendem Werthe geschrieben; als Schriftsteller und
Schöpfer des magyarischen Kunststils ist er von epochemachender Bedeutung; als Agitator
aber ist er am größten.
Den Kampf der Spracherneuerung führte er nicht nur in seinen erwähnten Werken,
sondern auch in einer Unzahl von Briefen. Kazinczy ist ein Briefschreiber ersten Ranges
und kann sich als solcher mit jeder Berühmtheit der Weltliteratur messen. Seine Briefe
behandeln Alles, klären über Alles auf, was sich auf die Sprache, die Richtungen der
Poesie, den poetischen und prosaischen Stil, die patriotischen Bestrebungen, die kritische
Bewegung, den politischen und gesellschaftlichen Fortschritt bezieht. Von Wien bis Klausen-
burg, von Somogy bis an die östliche Grenze des Landes stand er im Briefwechsel mit
Jedem, in dem er hoffen konnte, einen neuen Gefolgsmann oder eine wie immer geartete
Stütze seiner dem Siege zustrebenden Ideen zu gewinnen. Diese Briefe sind die erfolg-
reichsten Werkzeuge seines fast halbhundertjährigey literarischen Kampfes, der innerlich
verwachsen ist mit einer ausnehmend wichtigen Epoche in der Geschichte der Nation.
Auf seiner Spur erstand eine ganze Schaar von Schriftstellern, die das Haupt-
streben des Meisters von Szephalom, den Dienst des classischen Ideals auf ihre Fahne
schrieben und unter dem Einfluß der idealistischen empfindsamen deutschen Dichter ihre
Episteln, gefühlvollen Sonette, scherzhaften oder spöttischen Epigramme und Fabeln
schrieben. Der konservativste unter Kazinczys Schülern war Johann Kis, dessen außer-
ordentlich zahlreiche Originalwerke und Übersetzungen viel zur Verbreitung des guten
Geschmacks und zur Belehrung der ungarischen Jugend beitrugen. Paul Szemere (1785
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (3), Band 12
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (3)
- Band
- 12
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1893
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.49 x 21.91 cm
- Seiten
- 626
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch