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bis 1861), der Redacteur der Zeitschrift: „Leben und Literatur" (»Nst. es I^iteratura"),
erkannte das Auftauchen der neuen literarischen Richtungen als verschiedene Stadien der
Entwicklung und wirkte ein halbes Jahrhundert laug mit vier Schriftsteller-Generationen
um die Wette. Von Andreas Fäy angefangen bis zu den ersten jetzt lebenden Schrift-
stellern führte er viele junge Talente der literarischen Lausbahn zu; viele, die der Nation
zum Ruhme gereichen, danken ihm Ansporn und Begeisterung. Schon in jungen Jahren
war er einer der gelehrtesten Philologen der Literatur. Seine erste Flugschrift dämmte das
überhandnehmende Orthologeuthum zurück und seine Sonette machten ihn in den Augen
derjenigen, die sich zur deutschen Richtung bekannten, zu einem der ersten ungarischen
Dichter. In diesen Gedichten zeigt sich am besten sein lebendiges Formgefühl und sein
feiner Geschmack. Von ihm rührt auch die erste wirklich künstlerische Übersetzung auf
dramatischem Gebiete her: Körners „Zrinyi", der ihm die größte Anerkennung in der
Literatur wie bei dem Publikum gewann. In seinen oft absonderlichen, aber stets geist-
vollen ästhetischen Arbeiten häufte er philosophische Analyse und Grammatik, Poesie und
Kritik, ernste Speculation und heitere Einfälle in einer Weise, wie dies nur einem so
eigenartigen Genie möglich war. Seine Wirkung auf die Allgemeinheit kam derjenigen
Kazinczys nahe, obgleich er keineswegs das Ansehen des Meisters von Szephalom genoß.
Mit ihm zugleich schloß sich der Kaziuczyscheu Richtung Franz Kölesey (1790
bis 1838) an, der in den literarischen und politischen Kämpfen dieses Jahrhunderts
als Dichter, Kritiker und Redner auf gleich hoher Stufe steht. Seine philosophischen,
geschichtlichen, literarischen und philologischen Studien ließen ihm nur die Mußestunden
für die Dichtung frei, in deren lyrischer Gattung er die Nation mit einigen echten Meister-
werken beschenkt hat. Die Quellen seiner Poesie waren die melancholischen Empfindungen,
die Aufwallungen einer in sich verschlossenen Seele, früherstandene und rasch verflogene
Hoffnungen, Täuschung und Schwärmerei, besonders aber die Vaterlandsliebe. Sein
tiefes patriotisches Leid, die Klage um die Heimat stellen ihn an die Seite von Alexander
Kisfalndy und Berzsenyi, nur klingen sie bei ihm noch düsterer und verzweifelter: „In
seinem patriotischen Schmerze" — schreibt Gynlai — „ist etwas Heiliges, die Heiligkeit
des Tragischen, der Ton des Chors in der griechischen Tragödie, wie er über dem Helden
zu erklingen pflegt, der den Streichen der Nemesis erliegt." Seine Gedichte: „Zrinyis
erster Gesang", „Zrinyis zweiter Gesang", „Die Nymphe des Räkos" und besonders sein
„Hymnns", der zum Nationallied geworden, weinen um die große Vergangenheit und
beklagen die Hoffnungslosigkeit der Gegenwart; das Bild seiner Heimat erscheint ihm
düster, wie Rom dem träumenden Cäsar, und er fühlt, daß er auf den Trümmern des
Vaterlandes vernichtet hinsinken würde; dann wieder fleht er Segen herab auf sein Volk,
das bereits gebüßt habe für Vergangenheit und Zukunft. Die Betrachtung versinkt bei seiner
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (3), Band 12
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (3)
- Band
- 12
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1893
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.49 x 21.91 cm
- Seiten
- 626
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch