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um einige Monate früher, als die führerlos gebliebenen Schriftsteller tieftrauernd den
Sarg Karl Kisfaludys umstanden und auch das Publikum der Hauptstadt ihren Schmerz
theilte.
Und dennoch, so heilsam die Wirkung Karl Kisfaludys für die ganze Literatur
gewesen, keines seiner Werke ist in ästhetischer Hinsicht dem „Bänk-Bän" zu vergleichen.
Dieser war seiner Zeit vorausgeeilt, welche weder Empfänglichkeit für die politische Tendenz
des Werkes, noch Sinn für dessen tragische Kraft besaß. Später, zwischen 1830 und 1848,
in den brausenden Jahren der nationalen Entwicklung, erwachte und wuchs die Begeisterung
des Publikums für das Trauerspiel, dessen Gestalten darzustellen der Ehrgeiz der vorzüg-
lichsten ungarischen Schauspieler wetteiferte, während die ersten ungarischen Kritiker sich
der Erläuterung des Werkes widmeten. Schließlich waren Literatur und Publikum darüber
einig, daß sie im „Bänk-Bän" das beste ungarische Trauerspiel besaßen, nur der Dichter
konnte an der Freude des Triumphes nicht mehr theilnehmen. In den Augenblicken der
allgemeinen Begeisterung mußte die Nationalbühne immer diese Tragödie aufführen, damit
das Publikum sich erhoben fühle durch die mit dramatischer Kunst eingekleidete politische
Tendenz, durch die poetischen und patriotischen Gedanken, die in der starken dynastischen
Anhänglichkeit des königstreuen Bank zu Tage treten, damit es innerlich bewegt werde
durch die plastische Darstellung der Zeit, in der die goldene Bulle entstand (1222), und
durch die erschütternde tragische Macht, welche die Gestalten des Trauerspiels mit sich
dahinreißt. Die Unzufriedenheit der Nation mit den tyrannischen Fremdlingen, die am
Ruder sitzen, während Andreas II. in Galizien weilt, ist schon zum Ausbruch bereit. Der
Anführer der Unzufriedenen ist Petnr-Bän, der den Palatinns Bänk, den Statthalter des
Königs, heimbernfen läßt, um ihn für die Verschwörung zu gewinnen. Prinz Otto, der
Bruder der Königin, will Bänks Gattin Melinda verführen und Banks erster Gedanke
nach seiner Heimkehr ist, die Unzufriedenen zu beschwichtigen und Otto zu zerschmettern.
Während nun der schwergekränkte Bank, dessen Königstreue nicht die geringste Scharte
duldet, die Unzufriedenen beruhigt, erfährt er durch einen fahrenden Glücksritter, daß
Melinda diese Nacht zum Opfer fallen müsse. Ein furchtbarer Kampf tobt in seinem
Gemüthe. Er denkt erst an Mord, dann an Melindas Rettung, wenn sie etwa möglich
wäre. Alles zu spät. Sein Glück ist vernichtet. Er hält auch sein Weib für schuldig und
verflucht sein Kind. Er glaubt, die Königin sei die Hauptschuldige, und dieser Verdacht
wird durch die doppelsinnigen Worte einer Hofdame genährt. Da keimt in seinem Herzen
die schwärzeste Rache uud diese wird noch geschürt durch Tiborcz, einen seiner früheren
Leibeigenen, der bittere Klage führt über die Fremdlinge. Nun eilt Bänk zur Königin,
deren Vorwürfe neues Ol in das Feuer seiner Leidenschaft gießen. Bänk erblickt Otto,
was die Glut seiner Rachgier noch steigert, uud er tödtet Gertrud. Jetzt kehrt König
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (3), Band 12
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (3)
- Band
- 12
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1893
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.49 x 21.91 cm
- Seiten
- 626
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch