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meisten und aus ihnen schöpft er seine Hauptwerke. Er hat die ungarische erzählende
Dichtung zum nationalen Epos zurückgeführt, zuerst durch die Toldi-Trilogie, dann durch
„Budas Tod". Von der ersteren führte er anfangs (1846 und 1818) nur die ersten
und letzten Theile aus; an dem mittleren Theile arbeitete er sozusagen Jahrzehnte lang
und veröffentlichte ihn erst 1879. Sowohl die Toldi-Trilogie als „Budas Tod" sind
wahre Meisterwerke und unvergängliche Schmuckstücke der ungarischen Literatur.
Im ersten Theile der Toldi-Trilogie entrollt sich eine ganze Reihe von heroisch-
idyllischen Bildern. Niklas Toldi tritt auf, der riesenkräftige, edelherzige Jüngling, den
sein Bruder aus dem väterlichen Erbe verdrängen will; durch Zufall zum Mörder
geworden, bietet er der sittlichen Weltordnung Sühne für diese Schuld, schüttelt das Joch
seiner Zwangslage ab, geräth an den Hof des Königs und genießt den Rausch des
Triumphes. Der zweite Theil schildert den Kampf und Heldenmuth des Mannes, sein
Irren und Büßen, das Wirrfal seiner Liebe. König Ludwig will Toldi mit der ihm
unbekannten Piroska Rozgouyi verheiraten, aber durch einen übermüthigen Einfall
bestimmt, erstreitet er ihre Hand im Kampfspiel für einen anderen; wie er sie aber dann
erblickt, ergreift ihn die Liebe zu ihr mit unwiderstehlicher Macht, er tödtet Piroskas
Gatten in regelwidrigem Zweikampf, was ihn für immer von der Geliebten trennt, die in
einem Kloster langsam dahinwelkt. Arany löst diesen starken tragischen Conflict mit
seltenem künstlerischen Takt. Toldi hat das ritterliche Gesetz verletzt, er hat die Geliebte
und sich selber unglücklich gemacht, aber er wird deshalb nicht vernichtet. Er büßt in einem
Kloster, als niederer Knecht, gepeinigt von der Qual der Verfolgung und Selbstanklage,
aber seine Leiden reinigen ihn, er erkämpft sich seine frühere Stellung wieder und zieht
sich endlich zur Lebensrast zurück, allerdings ohne das Glück mit sich zu nehmen. Im
dritten Theile steht der alle Toldi da, in seiner gelangweilten Ruhe und Unzufriedenheit;
mit Hilfe eines alten treuen Dieners gräbt er sein Grab. Da kommt ein Bote von Ofen
und meldet, daß das Wappen Ungarns in fremde Hand gerathen. Noch einmal rettet
Toldi die Ehre Ungarns, er siegt, aber sein alter Gram nagt weiter und so stirbt er
langsam. Das ganze Gedicht ist meisterhaft gebant, die Seelenmalerei von größter Kraft,
das Emporstreben des Jünglings, die langen Kämpfe des Mannes, das Grübeln und der
Hnmor des Alters sind charakteristisch und zum Sprechen getreu geschildert, der Vortrag
ist künstlerisch und dennoch von volksthümlichem Duft; so bedeutet „Toldi" das höchste
ungarische Meisterwerk der erzählenden Dichtung.
„Budas Tod" ist der erste Theil einer großen Hnnnen-Trilogie, deren ganze
Handlung Arany bereits entworfen hatte, ohne aber mehr als den ersten Theil ausarbeiten
zu können. Bnda theilt sich mit Etele (Attila) in die Herrschaft, allein der Lehnsmann
Detre erregt Zwietracht zwischen den Brüdern; Verdacht keimt in Budas Seele, als er
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (3), Band 12
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (3)
- Band
- 12
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1893
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.49 x 21.91 cm
- Seiten
- 626
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch