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gelangen, wie nur bei ganz vereinzelten ungarischen Lyrikern. Jenem Zustand aber, in
dem Verzweiflung und Glauben, Grübelei und Hoffnung, Entsagung und Vertrauen sich
bekriegen, hat Arany nnter allen Magyaren den künstlerischesten Ausdruck verliehen. Der
Grundton seiner Lyrik ist die Elegie, die sich bisweilen zur Ode erhebt oder auch im
Humor schmilzt. Am liebsten besingt er das Glück seines Familienlebens, die mächtigste
Wirkung aber machen seine patriotischen Elegien. Schmerz und Klage in ihrem gehobensten
Tone klingen bei Keinem so ergreifend als bei ihm.
Unter dem Einfluß Johann Aranys, doch in selbständiger Richtung pflegte auch
Karl Szäsz die epische Poesie; seine werthvollsten Werke in dieser Gattung sind
„Salamon" und „Trencseni Csäk". Ladislans Aranys Werke „Elfrida" und „Der
Held der Fata Morgana" (velibädok käse) gehören zn den hervorragendsten Erzeug-
nissen der neueren ungarischen Dichtkunst.
Gehen wir von der epischen Dichtung in gebundener Rede zu den Erzählungen und
Romanen in Prosa über, die seit Karl Kisfalndy eine nicht minder rasche und künstlerische
Entwicklung durchmachen, so ist vor Allem Andreas Fäy (1786 bis 1864) zu erwähnen,
der im Jahre 1832 den ersten socialen Roman Ungarns, das „Haus Belteky" schrieb
und darin einige vorzüglich gerathene Figuren aus der in Umwandlung begriffenen
ungarischen Gesellschaft vorführte, allerdings mit lehrhafter Tendenz, aber in natürlicher,
ungesuchter Sprache und origineller Zeichnung. Er schrieb außerdem zahlreiche Novellen
und Fabeln und unterwies auf seinem langen Lebenswege, einem fröhlichen Weisen gleich,
die Nation in den Ideen des Fortschrittes, indem er die mannigfachen Schiefheiten und
Schwachheiten des Lebens vor ihr bloßlegte und unausgesetzt gute Rathschläge ertheilte.
Auch die meistens heiteren Novellen von Paul Koväcs wurden gerne gelesen und Paul
Csatö lieferte Beachtenswerthes im Gebiete der ernsten Erzählung.
Die verwegensten Sprünge der dichterischen Einbildungskraft finden sich in den
orientalischen Novellen Peter Vajdas, dessen warmes Gefühl für Natur und Menschen-
würde, Freiheit und Rechtsgleichheit sich iu solcher Form ausspricht. Vajda strebt im
sprachlichen Ausdruck eine gewisse pomphafte Überschwenglichkeit an und meidet den Ton
einer einfachen, ruhigen Prosa. Sein feierlicher, aber sprunghafter Stil gefiel den Lesern
eine Zeit lang ausnehmend, bald aber trat Nikolaus Jösika auf, als eigentlicher Begründer
der ungarischen Romanliteratur, und gab durch seine Werke dem Geschmack des Publikums
eine ganz andere Richtung.
Baron Nikolaus Josika (1794 bis 1865), der Sprosse einer uralten siebenbürgischen
Adelsfamilie, stand, als er auftrat, uuter dem Eindruck der Sagen Alexander Kisfalndys,
sowie Walter Scotts und der französischen Romantik. Gleich sein erster Roman, „Abafi"
(1836), machte seinen Namen gefeiert. Dieser Erfolg spornte ihn zu rascher Arbeit und
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (3), Band 12
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (3)
- Band
- 12
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1893
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.49 x 21.91 cm
- Seiten
- 626
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch