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Wenden wir nns nnn zur kirchlichen Musik im XVI. und XVII. Jahrhundert. In
der Choralliteratur der Protestanten sehen wir den ersten Schritt zu einer Kunstdichtung;
die Entwicklung einer Art kuustmäßiger Musik, etwa in der Richtung wie in Deutschland,
war hier theils durch das von Calvin so eng gezogene Ceremonie!, dem man starr anhing,
theils auch durch die politischen Verhältnisse Ungarns behindert. Dem ersten Schritt
folgte durch die Harmonisirung der Gondimel'schen Psalmen, der zweite. Doch war der
harmonische Gesang schon viel früher in Übung, daher auch der sogenannte
Harmonikus« sein Erscheinen mit den Worten motivirt: „zu Gunsten derer, so den har-
monischen Gesang lieben" u. s. w. Dieses vierstimmige, für gemischten Chor geschriebene
Gesangbuch erschien 1774 zu Debrecziu. Beigegeben sind theoretische Anmerkungen von
Georg Maröthi, der in der erforderlichen Kürze vom System der Musik soviel mittheilt,
als ihm für den Choralgesang nothwendig erscheint. Diese theoretische Arbeit ist zwanzig
Seiten lang und darf als die erste in ungarischer Sprache gelten. Maröthi schrieb sie als
Debrecziuer Professor im Jahre 1743. Der ,^Ia.xvai- Harmonikus" war also der zweite
und bis ans unsere Zeit letzte Schritt zur Hebung des harmonischen Gesanges.
Die Stellung der Katholiken ist eine wesentlich verschiedene. Musikalisch genommen,
ist das Ceremoniel selbst das Textbuch einer gewaltigen Kunstmnsik, die zur Zeit
Palestrinas bereits mit den anderen Künsten wetteifern konnte. Mehrere italienische und
deutsche Meister waren zeitweilig auch iu Ungarn thätig, ja sie erscheinen selbst in der
Geschichte. In unserer Übersicht („Ungarn", Band I, Seite 364) ist bereits Johann
Tinetor erwähnt, nebst Stesan Monetarins, der als Ungar sein im Jahre 1513
erschienenes theoretisches Werk dem Georg Thurzo widmete. Auch der berühmte deutsche
Componist Thomas Stolzer war eine Zeit lang königlich ungarischer Kapellmeister am
Hofe Ludwigs II. zu Ofen; fein Nachfolger wurde der später weltberühmte Adrian
Willaert, Begründer der letzten Epoche der niederländischen Schule; er bekleidete das
Amt eines Hofkapellmeisters sieben Jahre lang, bis 1526. Der italienische Maestro
Girolamo Dirnta war Musiklehrer Sigismuud Bäthorys, Fürsten von Siebenbürgen,
darauf bezieht sich sein theoretisches Werk: ,Il ^ransilvanv-, welches Bäthory selbst
zugeeignet ist.
Von den älteren Handschriften ist nnr eine bekannt: die schon oben erwähnte Orgel-
Tabulatur des Guardiaus und späteren siebenbürgischen Vicars Käjoni. Dieser Codex
verdient besonders aus zwei Gründen Aufmerksamkeit; er bekräftigt nämlich unsere
Annahme von der literarischen Thätigkeit der Kirche und liefert vom nationalen Stand-
punkt interessante Dateu. Er enthält eine Reihe in- nnd ausländischer Messen, jede mit
Angabe des Entstehungsortes, also: »W-sa l^rnavlensis", ,Nissa Xisinartoniensis",
,KIissa Lieulorum, ?ater I'i', 5oanr>ss käjoni scridebat, orZanista et oiAamkader,
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (3), Band 12
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (3)
- Band
- 12
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1893
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.49 x 21.91 cm
- Seiten
- 626
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch