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auf Umwegen und spät genug heinigelangte. Wir erinnern nur au die Auswanderung
der Künstlerfamilie Dürer aus dem Bekeser Comitat nach Nürnberg, wodurch Ungarn
des Ruhmes verlustig ging, der Welt ein bahnbrechendes Knnstgenie schenken zu können.
Allerdings fragt es sich, ob der Sprößling der uugarischeu Familie Aj tös daheim, unter
der Regierung des für Kunst unempfänglichen Wladislaw II., zur Zeit des Bauern-
aufstandes uud der Mohäcser Katastrophe das geworden wäre, wozu der schou in Nürn-
berg geborene und zum Dürer gewordene Albrecht unter der Leitung seines Meisters
Wohlgemuth und dem Einfluß eines Pirkheimer, Melauchthou und Erasmns am kuust-
frenndlichen Kaiserhose eines Maximilian und Karl V. sich entwickelt hat.
Dennoch wäre es irrig zu glauben, daß Ungarns Vergangenheit des künstlerischen
Elementes gänzlich entbehrt habe. Die geschichtlichen Urkunden berichten, daß Stesan
der Heilige während seiner nahezu vierzigjährigen Negierung zehn Bisthümer, auch zahl-
reiche Abteien und Klöster gründete, für die er größere oder kleinere Kirchen bauen ließ.
Von diesen Bauten hat sich freilich nur eine erhalten, aber ein Bandenkmal erster Klasse,
nämlich der neuesteus mit großen Kosten stilgerecht wiederhergestellte Dom zu Fünf-
kirchen, der wegen seiner glänzenden inneren Ausstattung schon in mittelalterlichen
Urkunden mit dem Beiwort „uurata- erwähnt wird. Als großartige und besonders
prächtige Kirche wird ferner der im XII. Jahrhundert erbaute Grauer Dom erwähnt,
über dessen als ,pc»rtn specio-a" bezeichnetem prächtigen Hanptportal die Inschrift
stand: plentern sanctam, spontaneam, Iivnoiem Oeo, patiiae überationem." Jeden-
falls ist es auffällig, daß zu jener Zeit selbst in unbedeutenden, entlegenen Ortschaften die
geistige und materielle Fähigkeit zur Errichtung ansehnlicher Kirchen von verhältnißmäßig
bedeutendem Kunstwerth vorhanden war; Beweise dafür sind die durch ihr herrliches
Portal kunstgeschichtlich merkwürdige Kirche zu Jak, dann die zu Lebeuy und noch
andere kleinere.
Man darf annehmen, daß bei den romanischen Kirchen aus der ersten Hälfte des
XIII. Jahrhunderts dem imposanten Äußeren eine glänzende innere Ausstattung entsprach.
Dies stimmte völlig zur nationalen Prunkliebe, die sich im kirchlichen Ceremonie!, wie
auch bei allen weltlichen Festen gerne kundgab. Für die nationale Auffassung in dieser
Hinsicht und für die Kenntniß der Sitten und Gebräuche jener Vergangenheit war die
Budapester Ausstellung für Goldschmiedekunst und Archäologie (1884) besonders lehrreich,
denn sie überraschte das In- und Ausland durch eine gar nicht geahnte Anzahl der werth-
vollsten und meist auch künstlerisch hochinteressanten Prnnkgeräthe, Waffen, Schmuckgegen-
stände n. s. w. aus dem Besitz der vornehmsten ungarischen Familien, sowie der kostbaren
Kelche, Reliqniare, Emailgegenstände und Prachtstücke jeder Art aus den Schatzkammern
von Kirchen, Stiften und Bisthümern. Und doch war dies nur eine Gelegenheitsausstellung,
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (3), Band 12
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (3)
- Band
- 12
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1893
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.49 x 21.91 cm
- Seiten
- 626
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch